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Kriegsbilder ohne Halt

Die Galerie Crone stellt Originalzeichnungen des Künstlers Hamid Sulaiman über den syrischen Bürgerkrieg aus

  • Waldemar Kesler
  • Lesedauer: 4 Min.

Hamid Sulaiman studierte in Damaskus Architektur und wurde gerade als Zeichner und Performance-Artist bekannt, als im Frühjahr 2011 die Proteste gegen das Assad-Regime in Syrien ausbrachen. Er schloss sich ihnen sofort an. Bereits Anfang 2011 hatte er einige Bilder gegen die Folter in Assads Gefängnissen gemalt. Sulaiman wurde verhaftet und eine Woche lang im Gefängnis festgehalten. Um nicht vor Gericht gestellt zu werden, musste er das Land verlassen. Er floh über Jordanien und Ägypten nach Deutschland und ging schließlich nach Paris, wo er seit 2011 lebt.

In seinem ersten, im April in Frankreich veröffentlichten Comicband »Freedom Hospital« erzählt Sulaiman von der Widerstandsaktivistin Yasmin. Sie betreibt in Nordsyrien im Untergrund ein Krankenhaus, in dem verletzte Bürgerrechtskämpfer behandelt werden. Yasmin ist Studentin der Pharmakologie und glaubt, der Krieg würde schnell vorbei sein. Nach dem Sturz von Bashar al-Assad will sie sich in den USA für ein Promotionsstipendium bewerben. Diesen Glauben an ein baldiges Kriegsende, nach dem das Leben weitergeht, hatte früher auch Hamid Sulaiman gehabt.

Das Buch ist Sulaimans Freund Hussam Khayat gewidmet, der in einem syrischen Gefängnis zu Tode gefoltert wurde. Hamid Sulaiman nimmt Geschichten auf, von denen ihm Freunde und Bekannte erzählt haben. Er verknüpft diese persönlichen Erlebnisse aber mit den in der Welt verbreiteten Kriegsbildern, den YouTube-Clips der IS-Propaganda und Bildern aus Flüchtlingslagern, die in sozialen Netzwerken zirkulieren.

Hamid Sulaiman ist nicht der erste Künstler aus dem Nahen Osten, der politische Ereignisse mit einer Comic-Chronologie begleitet. Der im Exil lebende iranische Autor Amir und der arabische Zeichner Khalil erinnern zum Beispiel in »Zarah›s Paradise« an die gewaltsamen Repressalien, die das iranische Regime der Grünen Revolution 2009 folgen ließ. Im Vergleich zu anderen Chronologien setzt Sulaiman in »Freedom Hospital« allerdings sehr stark visuelle Mittel ein.

Sulaiman vermeidet realistische Bilder. Er meint, dass sie die Wahrnehmung einschränken, weil sie eine strikte Sicht vorgeben. Wie die iranische Zeichnerin Marjane Satrapi und die libanesische Zeina Abirached, die beide wie Sulaiman in Paris leben, malt er schwarz-weiße Tuschebilder, die an den expressiven Holzschnitt-Stil des Franzosen David B. angelehnt sind. Um der syrischen Realität gerecht zu werden, nimmt Sulaiman aber auch bei Frank Millers drastischer Comicserie »Sin City« Anleihen: etwa wenn eine von einem Sniper erschossene Demonstrantin auf völlig schwarzen Hintergrund als komplett weiße Gestalt zu sehen ist. Am Rücken läuft die menschliche Kontur in einer (Blut-) Fontäne aus.

Neben solchen starken Einzelbildern hängen Seiten aus »Freedom Hospital« in der Galerie, die wegen ihrer Bilderabfolge eindrucksvoll sind. Eine Seite besteht aus ausschließlich zwei Bomben, die als klar konturierte, zierliche Gegenstände durch den weißen Hintergrund des Himmels schweben. Sie wirken wie zwei Schiffchen, die der Wind auf einem seichten Gewässer umhertreibt. Dieser visuellen Idylle folgen auf den nächsten Seiten extreme schwarz-weiße Kontraste, die in unübersichtlichen Kompositionen die Auswirkungen der Explosion darstellen.

Selbst wenn eine Sequenz in sich geordnet erscheint, hängt daneben eine andere, die dazu einen starken Gegensatz bildet. Bei einem Fußballspiel sehen wir etwa ein Feld von oben. Die geometrischen Linien suggerieren genauso Ordnung wie die einzelnen Spielszenen. Wer sich in der Galerie diese Sequenz aus dem Buch anschaut, sieht im Augenwinkel einige Bilder aus dem Spital von Yasmin. Im Gegensatz zu den hellen Fußballbildern beherrschen dunkle Flächen die Zimmer im Krankenhaus. In einzelnen Bildern fällt nur schwaches Licht durch die Fenster in dunkle Innenräume, so dass schwer zu erkennen ist, was in der Szene überhaupt stattfindet.

Auf den Blättern sind keine Dialoge eingearbeitet, obwohl Sprechblasen vorhanden sind. Die Figuren bleiben also sprachlos, der Kontext der Situation fehlt, den im Comicbuch der Text gibt. Hamid Sulaiman wollte durch die Ausstellung bewirken, dass sich die Betrachter selbst ein Verständnis aufbauen müssen. Die Zergliederung in einzelne, chronologisch nicht zusammenhängende Sequenzen sorgt dafür, dass den Besuchern beim Betrachten der syrischen Kriegsbilder die Orientierung verloren geht.

Hamid Sulaiman, Freedom Hospital, Galerie Crone, Rudi-Dutschke-Str. 26, Kreuzberg, Di-Sa 11-18 Uhr, bis 18. Juni

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