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Elton: Quereinsteiger willkommen!

Die Karriere des TV-Menschen Elton macht uns allen Hoffnung

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.
Elton und Kai Pflaume werden oft mit ganz anderen Prominenten verwechselt.
Elton und Kai Pflaume werden oft mit ganz anderen Prominenten verwechselt.

Das Film- und Fernsehgeschäft ist ein Panzerschrank klemmender Schubladen. Die Flucht daraus ist fast unmöglich. Fragen Sie mal Heino Ferch und Christine Neubauer! Überhaupt in einer zu landen, war jahrzehntelang Profis vorbehalten, die sich akribisch vorgearbeitet hatten. Quereinsteiger blieben die Ausnahme, selbst Sidekicks schillernder Stars wie Bill Ramsey oder Trude Herr waren tief verwurzelte Bühnengewächse mit Charisma, Talent und Handwerkszeug.

Was für ein Unterschied zu Elton! Die Qualifikation von Alexander Duszat, wie er 1971 in Berlin getauft wurde, besteht in einer Ausbildung zum Fernsehtechniker plus Teilzeiterfahrung im Lokalradio seiner Zweitheimat Hamburg. Viel mehr brachte Stefan Raabs Showpraktikant nicht mit, als er 2001 die erstaunlichste Bildschirmlaufbahn seit Til Schweiger begann.

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Von »Elton reist« bis Elton zockt», von «1, 2 oder 3» bis «Eltons 12», von «Alle gegen einen» bis «Elton vs. Simon», von «The Dome» bis «Die Alm», vom Außenreporter bei «Wetten, dass…?» bis zu vier Shows mit «Schlag den» im Titel – seit 20 Jahren gibt es weder öffentlich-rechtlich noch privat allzu viele Primetimes ohne den mopsigen Moderator. Aktuell ist er in acht Formaten sichtbar. Sieben, um genau zu sein. Denn an nun endet seine Ära als Ratefuchs der ARD-Reihe «Wer weiß denn sowas?» Und was dem ausgebildeten Wertpapierhändler Kai Pflaume eine Sondersendung wert ist, Samstag 20.15 Uhr, darf hier auch ruhig mal gewürdigt werden.

Weder telegen noch eloquent, weder sportlich noch charmant, hat Elton sich lange in der Aufmerksamkeitsindustrie gehalten. Diese Beharrlichkeit, gepaart mit beispiellosem Mangel an Eitelkeit, hat durchaus zur Demokratisierung der Unterhaltungsbranche beigetragen, deren Aristokratie nur selten den Daumen hebt, wenn Plebejer wie Elton Einlass erbitten. Aber es gelingt. Manchmal. Auf dem Gipfel schlagerseliger Wirklichkeitsflucht zum Beispiel: Hier wurde Roberto Blanco zum schwarzen Maskottchen der weißen Mittelschicht und suggerierte bis in die 80er Diversität, wo bloß ölige Toleranz herrschte. Ähnliches galt für Hella von Sinnen: Lesbisch, dick und derbe, also das Gegenteil dessen, was als feminin galt, polterte sie vor die RTL-Kameras und blieb einfach sitzen.

Auch Cindy aus Marzahn war ein Versehen der Unterhaltungsgeschichte, als sie es über Markus Lanz’ Wettcouch in den Mainstream schaffte. Immerhin jedoch hatte Ilka Bessin ihre Kunstfigur auf 1000 Bühnen geschult. Harry Wijnvoord war hingegen nur dahinter tätig gewesen, bevor er zum Gesicht des hedonistischen Privatfernseh-Dilettantismus wurde. Vom Stotterer zum Schnellredner (Dieter Thomas Heck), vom Techniker zum Teeny-Idol (Andreas Türck), vom Wetteransager zum Talkshowgott (David Letterman), vom Missbrauchsopfer zur Milliardärin (Oprah Winfrey) – manchmal zeigt sich das Fernsehen durchlässig.

Nur deswegen konnte der RTL-Comedian Olli Dittrich zum wirkmächtigsten Parodisten bundesdeutscher Befindlichkeiten seit Loriot aufsteigen. Nur so gelang Comedy-Kollegin Anke Engelke die Flucht aus der «Wochenshow» zur Charakterdarstellerin. Und nur so schaffte es Cherno Jobatay auf dem Gipfel der Baseballschlägerjahre ins «ZDF-Morgenmagazin» und prägte es wie kein zweiter. Über seine Epigonen von Dunja Hayali bis Jana Pareigis meckern 33 Jahre später zwar allenfalls noch Ewiggestrige der AfD. Dennoch bleiben marginalisierte Gruppen in Film und Fernsehen unterrepräsentiert. Auch deshalb fällt Christine Urspruch so auf. Als Objekt ableistischer Häme von Prof. Boernes «Tatort» gestartet, darf ihre Anwältin der ARD-Serie «Einspruch, Schatz!» sogar sexuell aktiv sein.

Die Zeiten ändern sich halt doch und damit die Gütesiegel einträglicher Karrieren. Reality-TV und Social Media spülen jährlich Dutzende Quereinsteiger ins Rampenlicht klassischer Kanäle. Der bizarrste Erfolg ist dabei wohl der von Menderes Bağcı. Angefangen als Bohlens Nemesis in 15 Staffeln «DSDS», zählt die völlig talentfreie Rampensau nicht nur zum Inventar des Trash-Entertainments; er ist Teil von Jan Böhmermanns «ZDF Magazin Royale». In diese Schublade schaffte es bislang noch nicht mal Elton.

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