Böhmermann-Affäre erhitzt den Bundesrat

Länder fordern zügige Abschaffung des »Majestätsbeleidigungsparagrafen« / Warnung vor Folgen des Prostitutionsgesetzes

  • Marian Krüger
  • Lesedauer: 3 Min.
Strafe bei Beleidigung von Vertretern ausländischer Staaten sei nicht mehr zeitgemäß, meinen die Länder. Sie wollen den entsprechenden Paragrafen sofort streichen. Die Bundesregierung zögert noch.

Mehrere Bundesländer dringen auf eine schnelle Abschaffung des sogenannten Majestätsbeleidigungsparagrafen im Strafrecht. Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen brachten am Freitag im Bundesrat eine Initiative für eine sofortige und ersatzlose Streichung des Paragrafen 103 im Strafgesetzbuch ein. Auch die Bundesregierung plant, die Vorschrift abschaffen - jedoch nach jetzigem Stand erst 2018.

Dieser aus Sicht der Länder nicht mehr zeitgemäße Straftatbestand stellt die Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten unter besondere Strafe. Der Antrag wurde zunächst an die Fachausschüsse überwiesen. Später wird in der Länderkammer darüber abgestimmt. Bei einer Zustimmung wird die Initiative dann auch dem Bundestag vorgelegt. Wie lange dieses Verfahren dauert, ist offen.

Der Paragraf 103 ist in die Schlagzeilen geraten, nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan auf Basis dieser Gesetzesregelung ein Strafverfahren gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann angestrengt hatte. Der Moderator hatte den Türken in einem »Schmähgedicht« beleidigt.

Die Länder sehen es besonders kritisch, dass eine Strafverfolgung in diesen Fällen von einer Entscheidung der Bundesregierung abhänge. Diese sei in der schwierigen Lage, einen Ausgleich zwischen der überragenden Bedeutung der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit und den Erwartungen der ausländischen Regierung herbeiführen zu müssen.

Rechtspolitische Themen dominierten auch die weiteren Debatten im Bundesrat. So gab die Länderkammer grünes Licht für die Strafrechtsverschärfung gegen Ärzte oder Angehörige eines Heilberufs, die sich für die bevorzugte Verordnung bestimmter Medikamente und Heilmittel bestechen lassen. Sie müssen nun mit bis zu drei Jahren Gefängnis rechnen.

Einwände hatten die Länder indes gegen den Gesetzentwurf zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes, der Anmeldepflichten für Sexarbeiterinnen, regelmäßige Gesundheitsberatungen sowie eine Erlaubnispflicht für Bordelle, mehr Kontrollen und eine Kondompflicht für Freier vorsieht. Der Entwurf beinhalte »Generalklauseln«, die »sogar ein völliges Verbot der vom Grundgesetz nach Artikel 12 geschützten Prostitution ermöglichen« würden, heißt es. Die Länder stört weiterhin, dass der Bund ihnen zahlreiche neue Verwaltungsaufgaben aufdrückt. Die zehnseitige Stellungnahme lässt kaum ein gutes Haar an dem Entwurf, es bleibt aber abzuwarten, ob der Bund sich davon beeindrucken lässt, da er in diesem Fall nicht auf die Zustimmung der Länder angewiesen ist.

Auch der von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) nach den Kölner Silvesterübergriffen eingebrachte Gesetzentwurf zur Reform des Sexualstrafrechtes geht den Ländern nicht weit genug. Er berücksichtigt ihrer Auffassung nach den Grundsatz »Nein heißt Nein« nicht ausreichend. »›Nein heißt Nein‹ gilt für Verträge, es gilt für Gesetze und muss auch für sexuelle Handlungen gelten«, forderte die niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) im Plenum des Bundesrates. Die vorliegende Novelle weise nach wie vor »Strafbarkeitslücken« auf. So machen sich auch weiterhin Personen, die ein klar formuliertes »Nein« des Opfers ignorieren und ohne Anwendung von Nötigungsmitteln sexuelle Handlungen an ihm ausführen, nicht strafbar.

Die Fraktionsspitzen von Union und SPD im Bundestag haben die Kritik derweil zur Kenntnis genommen. Und auch Maas zeigt sich für weitere Rechtsverschärfungen offen. Bundesweit werden pro Jahr rund 8000 Vergewaltigungen angezeigt. Experten schätzen, dass nur jedes zehnte Opfer Anzeige erstattet. Mit Agenturen

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.