»Vielfach echte Glücksfälle«

Fränkische Bodenständigkeit aus dem Osten: Dagmar Manzel über ihre Rolle als TV-Kommissarin im Nürnberger »Tatort«

  • Lesedauer: 4 Min.

Frau Manzel, ist es nicht ein etwas wohlfeiler Trick, das Krimipublikum damit bei Laune zu halten, dass man es wie in Ihrem zweiten Nürnberger »Tatort«-Einsatz andauernd auf falsche Fährten lockt?

Was heißt hier wohlfeil - es ist doch das Ziel eines guten Krimis, Spannung zu erzeugen und zu halten. Die Mittel dafür sind vielfältig.

»Das Recht, sich zu sorgen« verwebt allerdings gleich drei Fälle, die letztlich weit weniger miteinander zu tun haben, als dem Publikum währenddessen Glauben gemacht wird.

Das mag oberflächlich so erscheinen. Letztendlich aber haben diese drei Fälle sogar etwas ungemein Gewichtiges gemeinsam: Sie erzählen nämlich davon, der Einsamkeit und Verzweiflung im Leben entkommen zu wollen, die in und um uns herum herrscht. Und nicht nur das: Die unterschiedlichen Wege, die unsere zwei Hauptkommissare gehen, um diese drei Fälle zu lösen, erzählen auch etwas über ihre eigenen Fragen zum Leben, zum Beruf, zum Dasein insgesamt.

Was gut dazu passt, dass sich Ihre Paula Ringelhahn ohnehin oft mit vollem Herzen auf das einlässt, was sie ermittelt und umgibt. Ähneln Sie Ihrer Filmfigur darin?

In einigen Punkten schon. Die Bodenständigkeit meiner Paula zum Beispiel ist mir schon sehr nahe.

Und genau diese Bodenständigkeit unterscheidet Ihre Figur gravierend von einer Reihe »Tatort«-Kollegen, die heillos theatralisch agieren oder?

Ich würde da jetzt keine Namen nennen wollen, aber da ist schon was dran.

War es eigentlich Ihr ganz persönlicher Wunsch und Einfluss, dass Paula Ringelhahn bislang zumindest so frei von Macken ist?

Schon, durchaus. Ich habe im Franken-»Tatort« die außergewöhnliche Möglichkeit, eine Figur zu spielen, die sich erst einmal ganz über ihre Arbeit definiert, die sie mit großer Leidenschaft ausübt, um dann ganz behutsam auch mehr über die Persönlichkeit dahinter erzählen zu können. Das ist Schöne an diesem Format ist ja, mal ausreichend Zeit und Raum zu haben, um einen Charakter wirklich aus sich und der Geschichte heraus zu entwickeln.

Bevorzugen Sie generell eher artifizielle oder natürliche Charaktere?

Ich bevorzuge beides, gern auch mal in einer Figur. Und das übe ich auch genau so aus. Meine Rollen, die ich etwa in der Komischen Oper Berlin singe und spiele, zum Beispiel »Eine Frau weiß, was sie will«…

... wo Sie gemeinsam mit Max Hopp heftig umjubelt in gleich 30 verschiedene Rollen schlüpfen ...

… oder auch »Ball im Savoy«, unterscheiden sich teilweise gravierend von meinen Arbeiten in Film, Theater oder auch meinem neuen Projekt einer zeitgenössischen Oper »Agota?«. Genau das ist es, was mich fordert und erfüllt, also reizt.

Der Eindruck täuscht also, Sie seien zuletzt häufiger vor der Kamera als auf der Bühne zu sehen?

Der Eindruck täuscht sogar ganz gewaltig, da ich den letzten zwölf Jahren viele Produktionen in der Komischen Oper und auch immer wieder am Deutschen Theater gemacht habe. Und da sind auch weiterhin viele neue schöne Projekte geplant. Sprech- und Musiktheater sind beide wichtige Heimatorte für mich.

Ohne Sie je auf der Bühne erlebt zu haben, erwecken Ihre vielen Hauptrollen im Film häufiger den Eindruck, eigentlich eine Nebenrolle zu spielen - so zurückgenommen, oft fast schüchtern agieren Sie …

Anders als im Theater ist da im Film tatsächlich manchmal etwas dran. Vor der Kamera, die ja wirklich alles sieht und erfasst, interessieren mich leicht zurückgenommene Charaktere mehr. Das hat mit den Möglichkeiten des Mediums zu tun. Und die suche ich mir sogar bewusst aus.

Fühlen Sie sich vor der Kamera eigentlich immer am richtigen Platz?

Das kommt immer auch ein wenig aufs zugehörige Personal an. Wenn ich einem Regisseur oder einer Regisseurin begegne oder auch einem Kameramann oder einer Kamerafrau, die in meinem Gesicht lesen wollen und keine Zustände, sondern Situationen mit viel Improvisationsspielraum einfordern, dann bin ich vor der Kamera am richtigen Platz. Das sind dann vielfach echte Glücksfälle.

ARD, So., 20.15 Uhr

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