Die Basler Gifthändler

Das »Schwarzbuch Syngenta« wirft ein erschreckendes Bild auf den Schweizer Agrochemiekonzern

  • Eric Breitinger
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf das Konto des Schweizer Agrochemiekonzern Syngenta gehen zahlreiche Umweltsünden und Menschenrechtsverletzungen: Das schreiben die Autoren im neuen »Schwarzbuch Syngenta«.

Zumindest in der Schweiz erfreut sich die Agrochemiefirma Syngenta großer Beliebtheit: Die Basler Regierung fördert den Konzern mit einem Steuersatz von nur 14 Prozent auf seine Gewinne, üblich sind 22 Prozent. Im vergangenen Jahr wählte die rot-grüne Basler Regierung die Giftmischer zudem zu ihrem Partner beim städtischen Auftritt auf der Weltausstellung in Mailand. Syngenta durfte sich dort als verantwortungsvoller Konzern darstellen, der mit »nachhaltigen« Agrochemieprodukten den Hunger in der Welt bekämpft.

Das Autorenkollektiv Multiwatch entzaubert Syngenta indes in ihrem neuen »Schwarzbuch«: Das Unternehmen strebe vor allem nach »möglichst hohen Profiten«. Zur Firmenpolitik gehörten an vielen Ecken der Welt daher Lohndumping, der erbitterte Kampf gegen Gewerkschaften, der Verkauf von Agrochemiegiften, die Menschen und Umwelt schädigen, sowie Rufkampagnen gegen Kritiker: Auf der Hawaii-Insel Kauai testet Syngenta gentechnisch veränderte Mais- und Sojasorten. Der Konzern verspritzt dabei mehr giftige Pestizide als irgendwo sonst in den USA. Die Anwohner wehren sich, Syngenta setzt auf die Gerichte und Politiker. In Brasilien pflanzte der Multi heimlich Gensoja und Mais. Als das aufflog, bezahlte er Paramilitärs, um Protestierende zu vertreiben. Ein Mann wurde erschossen. In ihrer Pestizidfabrik im pakistanischen Karachi beschäftigt Syngenta primär Aushilfen, die für 27 Euro 66 Wochenstunden arbeiten. Festangestellte bekämen drei Mal so viel Lohn, doch Syngenta stellt seit 1986 niemanden mehr regulär ein.

In Indien, Afrika und Südamerika verkaufen die Basler Gifthändler hochprofitable, aber auch hochtoxische Pestizide wie Atrazin oder Paraquat, das beispielsweise in 32 Ländern verboten ist. Viele Anwender, oft Kleinbauern, können weder lesen noch besitzen sie Schutzkleidung. Unter ihnen häufen sich genetische Fehlbildungen, Fehlgeburten und Krebsfälle. Der Konzern bestreitet jede Verantwortung. Ähnlich weigert er sich, seine Abfälle in 18 Sondermülldeponien in Basel und Umgebung vollständig zu sanieren.

Die Autoren zeigen mit einer Fülle von Beispielen nicht nur die zahlreichen Verfehlungen eines Konzerns, dessen oberstes Geschäftsziel es ist, die Renditeerwartungen seiner Aktionäre zu erfüllen. Zu mächtigen Anteilseignern gehören schließlich die britische Tochter der US-Bank JP Morgan Chase & Co., Pensionskassen oder US-Investmentfirma BlackRock. Die Autoren demaskieren auch das Geschäftsmodell sämtlicher Agrochemiekonzerne, egal ob sie nun Syngenta, Monsanto, Dupont oder Bayer heißen: Sie alle verkaufen patentiertes Hybrid- und Gentechniksaatgut. Dieses entfaltet sein Potenzial aber nur in Kombination mit firmeneigenen Pestiziden und Kunstdüngern. Bauern müssen beides jedes Jahr auf Neue kaufen und geraten so leicht in Abhängigkeit, Monokulturen nehmen zu, Großgrundbesitzer profitieren und Pestizide gefährden die Umwelt. Die Autoren des Weltagrarberichts stellten bereits 2008 fest, dass sich so der Kampf gegen den weltweiten Hunger kaum gewinnen lässt. Dazu müsste man ganz im Gegenteil die Millionen Kleinbauern in Afrika, Asien und Amerika ökonomisch stärken und weniger Chemie einsetzen. Nur so ließen sich die Böden und die Biodiversität erhalten.

Das »Schwarzbuch« glänzt nicht mit spektakulären Enthüllungen durch investigative Recherchen wie das ähnlich gelagerte Buch »Rohstoff« von 2012. In diesem schauten die Rechercheure der Schweizer Nichtregierungsorganisation »Erklärung von Bern« den Schweizer Rohstoffkonzernen auf die oft ziemlich schmutzigen Finger. Der neue Sammelband besticht vielmehr durch die Fülle des Materials. Und eines dürften die Aktionäre und Manager von Syngenta nun wissen: Ihre Geschäftspraktiken stehen überall unter Beobachtung.

Multiwatch (Hrsg.): Schwarzbuch Syngenta. Dem Basler Agromulti auf der Spur. Edition 8 Zürich, 320 Seiten, 25,80 Euro

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