Pilz tötet Salamander

Nachdem die Schwanzlurche in den Niederlanden fast ausgerottet sind, wurden die ersten Opfer der Schadpilze in Deutschland gesichtet. Von Walter Schmidt

  • Walter Schmidt
  • Lesedauer: 5 Min.

Es lag wohl am milden Frühwinter 2015, dass die Feuersalamander im Belgenbachtal zwischen Monschau und Simmerath, direkt westlich des Nationalparks Eifel, so spät im Jahr noch einmal in größerer Zahl aktiv wurden. Hervorgelockt von überraschend hohen Lufttemperaturen, hatten sie ihre schon bezogenen Winterquartiere noch einmal verlassen.

Doch eine ganze Reihe von ihnen, so ist zu befürchten, hat dieses Luftschnuppern offenbar nicht überlebt. Biologen auf der Suche nach dem schwarz-gelben Lurch fanden jedenfalls um den Monatswechsel von November zu Dezember allein im Belgenbachtal 16 von 22 Feuersalamandern tot auf. Auch im Solchbachtal zwischen Zweifall und Vossenack im Eifeler Hürtgenwald sowie im nicht weit davon entfernten Tal der Weißen Wehe haben Mitarbeiter zweier biologischer Stationen der Region zwei am Pilz verendete Feuersalamander gefunden.

Der Biogeograph Stefan Lötters von der Universität Trier und seine Fachkollegen mussten nicht lange rätseln, woran die auffällig gemusterten Amphibien gestorben waren: Selbst fünf der noch lebenden Tiere, so stellte sich später im Labor heraus, waren mit dem für die Salamander meist tödlichen Tröpfchenpilz Batrachochytrium salamandrivorans (Bs) infiziert. Dessen zweiter Namensbestandteil bedeutet so viel wie Salamander-Fresser.

Dieser Pilz war auch der Grund, warum die Forscher durch drei Bachtäler in der Nordwesteifel und andere Amphibien-Biotope gestapft waren. Sie wollten feststellen, ob der Bs-Pilz von den Niederlanden oder Belgien her den Sprung über die deutsche Grenze geschafft hatte. Und siehe da: Er hatte! Es waren die ersten deutschen Bs-Funde in freier Wildbahn.

»Die kühlen Temperaturen während der Funde in der Nordeifel waren für den Pilz gut«, sagt Lötters. Der Bs-Pilz mag es nämlich nicht gerne warm. Er vermehrt sich besonders gut bei 10 bis 15 Grad Celsius. Ab etwa 25 Grad hingegen stirbt er.

Das heißt: Der Pilz kann vielerorts in Europa zuschlagen. Besonders dann, wenn die wärmere Jahreshälfte kühl ausfällt. Oder wenn milde Frühjahrs- und Herbsttemperaturen die Feuersalamander und andere Lurche sozusagen hinterm warmen Ofen ihrer Winter-Unterschlupfe hervorlocken - hinein ins Verderben.

Denn der Pilz ist ein echter Killer: Steckt sich ein Feuersalamander damit an, stirbt er innerhalb weniger Tage. Überall auf seiner Haut bilden sich teils tiefe Geschwüre, schließlich regt sich das Tier immer weniger und zunehmend unkoordiniert. Der Salamander nimmt ab und wirkt apathisch, bis er an dem Parasiten zugrunde geht. Und auch viele andere Amphibien reagieren so.

Der Bs-Pilz ist eng verwandt mit einem in Fachkreisen schon viel länger bekannten Pilz namens B. dendrobatidis (Bd). Fachleute nehmen an, dass diesem seit den 1980er Jahren weltweit über zweihundert Amphibienarten zum Opfer gefallen sind. Sollte das zutreffen, hätte keine andere bekannte Tierkrankheit die Artenvielfalt derart verringert. Die Opfer des Bd-Pilzes waren jedoch hauptsächlich tropische Lurche in Australien und Lateinamerika; die gemäßigten Breiten blieben weitgehend verschont.

Das schien sich schlagartig im Jahr 2010 zu ändern, als in den Niederlanden die Feuersalamander zu verschwinden begannen: Bis 2013 fielen 96 Prozent des ursprünglichen Bestandes einem Pilz zum Opfer. Doch wie Wissenschaftlern um die Biologin An Martel von der belgischen Universität Gent herausgefunden haben, war es diesmal ein anderer Übeltäter - einer, der sein Unwesen bei niedrigeren Temperaturen treibt als sein tropischer Verwandter. Es handelte sich um eben jenen Bs-Pilz, der Ende vergangenen Jahres im Eifeler Belgenbachtal etliche Feuersalamander dahingerafft hatte.

Auch in den Niederlanden und Belgien greift der Salamander-Pilz weiter um sich. Insgesamt wurden in den drei Ländern 55 geeignete Biotope untersucht - und in immerhin 14 von ihnen fand sich der Pilz auf Schwanzlurchen. Betroffen waren außer dem Feuersalamander Berg- und Teichmolche.

Annemarieke Spitzen-van der Sluijs, Erstautorin einer neuen Studie (»Emerging Infectious Diseases«, DOI: 10.3201/eid2207.160109), schätzt das betroffene Gebiet auf bis zu zehntausend Quadratkilometer. »Das kann entweder darauf hinweisen, dass der Pilz sich ausgebreitet hat, oder dass er schon seit Längerem an Stellen auftritt, die bislang nicht als befallen galten«, sagt die niederländische Biologin. »Das Vorhandensein des Pilzes kann zunächst leicht unentdeckt bleiben, weil die Hautverletzungen erst kurz vor dem Verenden der Tiere auftreten.«

Noch tappen die Forscher bei manchen Fragen im Dunkeln. Ist der Pilz wirklich so brandgefährlich und tötet schon kurz nach dem ersten Auftreten in einem Bachtal oder Tümpel die meisten oder gar alle dort lebenden Feuersalamander und andere Molche? Oder gibt es bloß einige gefährliche Varianten oder Stämme des Pilzes? War der Pilz womöglich schon lange in den Gebieten, wo man ihn in den letzten Jahren durch gezielte Suche erstmals fand? Und würde man ihn sehr oft auch anderswo in Deutschland finden, wenn man nur an vielen Amphibien-Standorten emsig nachforschte? Zudem könnten die einzelnen, regionalen Feuersalamander-Populationen »unterschiedlich gut gegen den Pilz gewappnet sein, weil sie vielleicht ganz andere Mikroben auf ihrer Haut haben, die den Pilz womöglich bekämpfen«, sagt Lötters. »Das alles muss erst erforscht werden.«

Unklar ist auch, wie der Pilz sich ausbreitet. Tragen Wanderer an ihren Stiefeln die Pilzsporen in bis dahin unbelastete Gebiete - so wie es beim tropischen Bd-Pilz nachgewiesen werden konnte? Oder verschleppen die infizierten Salamander selbst den Pilz?

Die Biologin Spitzen-van der Sluijs erbittet nun die Hilfe der Öffentlichkeit: Erkennbar kranke oder tote Salamander oder Molche sollten bei den für Naturschutz zuständigen Stellen gemeldet werden, »damit wir die Verbreitungskarte des Pilzes in Europa weiter füllen können«.

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