Sie malten den Krieg

... und wünschten sich Frieden und Glück

Ich habe zum Glück keinen Krieg erlebt; er pochte bei uns nur einmal kurz an die Tür: in New Delhi in den 1960ern, als wegen eines Grenzkonfliktes mit Pakistan einige Tage lang Verdunkelung für Indiens Hauptstadt verordnet war, weil Luftangriffe befürchtet wurden. Für uns Kinder war das abenteuerlich, bei Kerzenschein eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen zu bekommen. Damals wurde mir und meinem Bruder zudem eine besondere Ehre zuteil: Unsere Mutter, Mitglied der Jury von Shankar’s International Children’s Competition, bat uns bei der Auswahl der besten Zeichnungen von Kindern aus aller Welt behilflich zu sein. Quasi mit Kinderblick. Das war aufregend. Hunderte Zeichnungen, auf dem Boden ausgebreitet. Es gab viele schöne, lustige: »Fröhlich sein und singen« aus der Sowjetunion, der DDR, Kuba ... Und viele sehr traurige, aus Vietnam, aus Südafrika ...

K. Shankar Pillai (1902-1989) war ein berühmter indischer Cartoonist, Leiter eines Kinderbuchverlages, Herausgeber eines politischen Magazins und 1949 Initiator eben jenes Internationalen Wettbewerbs für Kinderzeichnungen. An die Hunderttausend sind bei dem auch nach seinem Tod weiterarbeitenden Wettbewerbskomitee eingetroffen. Nicht so viele, aber immerhin über 2000 Kinderzeichnungen aus Krisen- und Kriegsgebieten sammelten Françoise und Alfred Brauner, Gründungsmitglieder der französischen Sektion der »Ärzte gegen den Atomkrieg«. Sie begannen damit im Spanischen Bürgerkrieg, hinzu kamen alsbald Bilder aus faschistischen Konzentrationslagern, sodann aus Hiroshima, Vietnam und Kambodscha, Afghanistan, Libanon, Israel und Palästina, aus der Westsahara, El Salvador, Guatemala, Bosnien, Kroatien, Tschetschenien und Sierra Leone. In ihrem Buch »J’ai dessiné la guerre« (»Ich habe den Krieg gezeichnet«) veröffentlichten sie über 200 Bilder aus ihrem Fundus. Etwa 70 Zeichnungen fanden Aufnahme in einer Wanderausstellung, die bis dato in über 150 Städten in Deutschland, in den Niederlanden, der Schweiz und Österreich, in Frankreich und Südafrika gezeigt wurde und aus der die hier abgedruckten Bilder stammen.

Françoise Brauner (1911- 2000), gebürtige Pariserin, ging 1936 als Ärztin nach Spanien. Alfred Brauner (1910-2002), aufgewachsen in Wien und vor den Nazis nach Frankreich geflohen, folgte ihr 1937; er wurde in Spanien mit der Leitung des Komitees für Flüchtlingskinder der Interbrigaden beauftragt. Nach dem Sieg der Franco-Putschisten betreute das Ehepaar in Frankreich jüdische Kinder, die 1939 mit einem der letzten Kindertransporte aus Hitlerdeutschland fliehen konnten. Im Jahr darauf, nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht, schlossen sich die Brauners der Résistance an und entgingen mehrmals nur knapp der Verhaftung durch die Gestapo. Nach 1945 sorgten sie sich um 440 überlebende Kinder aus Auschwitz und Buchenwald. 1950 gründeten sie in Saint-Mandé, am Rande von Paris, die erste Tagesklinik für mehrfach behinderte Kinder in Frankreich.

Über 20 Millionen Kinder leben derzeit in Kriegsregionen, zehn Millionen gelten laut UNICEF als kriegstraumatisiert, und jeder zweite Flüchtling ist ein Kind.

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