Grüne wollen Verfassungsschutz-Chef Maaßen im NSU-Ausschuss
Nach Handy nun auch mehrere Sim-Karten des umstrittenen V-Mann »Corelli« aufgetaucht
Berlin. Nach Berichten über einen neuen Skandal beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wollen die Grünen den BfV-Präsidenten Hans-Georg Maaßen am Donnerstag im NSU-Untersuchungsausschuss hören. »Das BfV hat aus dem NSU-Versagen nichts gelernt« sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, am Mittwoch. Nach wie vor herrsche beim Verfassungsschutz absolutes Chaos. »Verantwortlich dafür ist Präsident Maaßen. Wir erwarten, dass er morgen vor dem NSU-Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen Stellung nimmt.«
Nach Informationen von »Süddeutscher Zeitung«, WDR und NDR sind nach dem Fund eines von V-Mann »Corelli« benutzten Handys nun auch noch weitere Sim-Karten aufgetaucht, die er vor seinem Tod 2014 benutzt hatte. »Corelli« galt lange als eine Schlüsselfigur bei der Mordserie des rechtsterroristischen NSU-Trios. Er kannte den mutmaßlichen NSU-Terroristen Uwe Mundlos. Kontakte zum NSU während der Zeit im Untergrund konnten ihm bislang jedoch nicht nachgewiesen werden.
Lustiger Laden so ein Inlandsgeheimdienst. Die »finden« nach über 4,5 Jahren immer noch Beweismittel zum #NSU. https://t.co/DejhoHXs2s
— Martina Renner (@MartinaRenner) 31. Mai 2016
In der Bundesregierung habe das wiederholt verspätete Auftauchen von Datenträgern Ärger und Unverständnis ausgelöst. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) drängt nach dem Bekanntwerden des Fundes auf Aufklärung und will dazu eigene Leute in die Geheimdienst-Behörde entsenden. »Wir erwarten vollständige und maximale Aufklärung im Bundesamt«, sagte de Maizière am Mittwoch in Berlin. »Es werden auch Mitarbeiter aus dem Innenministerium selbst dort hinfahren, um den Sachverhalt restlos aufzuklären.« Er erwarte anschließend einen Bericht. Auch die zuständigen parlamentarischen Gremien bekämen dann die entsprechenden Informationen. Eine Einschätzung des verzögerten Fundes will er aber noch nicht vornehmen. »Für eine Bewertung ist es noch zu früh.« Martina Renner, Obfrau der Linksfraktion im NSU-Untersuchungsausschuss, zeigt sich verägert: »Was wohl erst im Bundesamt für Verfassungschutz zutage kommen würde, wenn richtig zum NSU-Komplex gesucht würde?«, schrieb sie am Dienstag auf Twitter.
»Corelli« war den Medienberichten zufolge 18 Jahre lang V-Mann des Verfassungsschutzes und lieferte Informationen über die rechtsextreme Szene in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Er hatte demnach dem Verfassungsschutz schon 2005 eine CD mit dem Titel »NSU« übergeben hatte – lange bevor der »Nationalsozialistischen Untergrund« 2011 enttarnt wurde. Ihm werden zehn Morde zur Last gelegt. Das besagte Handy soll rund vier Jahre lang unbeachtet in einem Panzerschrank des Bundesamtes gelegen haben, bevor es im Juli 2015 angeblich bei einem Bürowechsel gefunden wurde. Das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe steht derzeit in München vor Gericht. nd/Agenturen
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