Die Gesandten
B. Bargeld & T. Teardo
Nerissimo« lautet der Titel dieses Albums, also etwa »das Schwärzeste«. Allerdings steckt in dem Wort noch eine zweite Bedeutung: »das Mysteriöse«, »das Geheimnisvolle«.
»Nerissimo«, das zweite Gemeinschaftswerk des Baumarktwerbemaskottchens, Dichters und Sängers Blixa Bargeld und des italienischen Sounddesigners und Filmkomponisten Teho Teardo, kommt, was das Soundbild angeht, ziemlich barock daher, in einem dunkelromantischen Schwarz, einem, das Süßlichkeit mit Schmerz vereint.
Das Cover ist erkennbar bis in Details hinein einem berühmten Porträt bzw. Vanitas-Stillleben nachgebildet, dem kunsthistorisch bedeutsamen Gemälde »Die Gesandten« (1533) von Hans Holbein. (Nur dass Teardo und Bargeld - im Gegensatz zu den auf dem historischen Bild Dargestellten, zwei Diplomaten des 16. Jahrhunderts - nicht den Mosaikfußboden eines Gotteshauses unter sich haben, sondern augenscheinlich einen Kunststoffbodenbelag, für dessen Design ein Jackson-Pollock-Gemälde herhalten musste.) Auch ist im Vordergrund des Coverbilds derselbe verzerrte Totenschädel zu sehen wie auf Holbeins Gemälde. Bedenke, dass du sterblich bist.
Elegische Kammermusikballaden sind es, die hier erklingen und von der Hinfälligkeit allen irdischen Seins künden. Umkränzt von würdevoll einherschreitenden Streichern, Vibraphon, Klarinette und sanftwarmen Laptop-Schabegeräuschen. Blixa Bargeld lässt dazu, wie er es auch schon auf den jüngsten Alben der Einstürzenden Neubauten praktizierte, seine Stimme zwischen bedeutungsvollem Raunen und Flüstern, strengem Sprechsingen und affektiertem, klaus-kinski-haftem Überbetonen bestimmter Silben hin- und herpendeln. Seine existenzialistisch-verrätselten Gedichte, die als Liedtexte fungieren, langweilen ein bisschen, weil man meint, derlei schon so oft gehört zu haben.
Natürlich nervt an Bargeld, der sich der Öffentlichkeit seit Jahren schwarzgekleidet zeigt, seit je her auch die Aura, die er vor sich herträgt: dieses Geheimnisumwölkte, dieses Pfauenhafte, dieses penetrante Ich-bin-ein-großer-Künstler-und-Dichterfürst-Getue! Der Mann wirkt, als sei er von den Fußsohlen bis unter die Schädeldecke von Ennui durchdrungen. Aber egal. Irgendwie ist er ja auf seine Art auch knuffig in seiner Berliner Wurschtig- und Schrulligkeit. Und in Interviews kann er wunderbar banales Zeug daherquatschen, beispielsweise seine existentialistischen Erfahrungen als Gast bei Bioleks Koch-Show: »Plötzlich holt er diesen Orangensalat raus. Das war sehr clever von ihm. Er dachte, dem zeig’ ich’s und bringe einfach mal Farbe hier rein und mache einen Orangensalat.«
Teho Teardo / Blixa Bargeld: »Nerissimo« (Specula/Rough Trade). Am 6.6., 20 Uhr, stellt das Duo sein Album in Berlin in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz vor.
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