Österreicher zurück an die Wahlurnen?

Verfassungsrichter beraten über zu viele Pannen und Unregelmäßigkeiten bei der Stichwahl des Präsidenten

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Sieger kann noch nicht feiern. Den geplanten Einzug in sein Präsidentenamt bedroht eine möglicherweise erfolgreiche Anfechtung.

Am 8. Juli soll der ehemalige Grünenchef Alexander van der Bellen in die Präsidentschaftskanzlei der Wiener Hofburg einziehen. Er hatte die Wahlen mit einem Vorsprung von 30.863 Stimmen gegen den Rechten Norbert Hofer gewonnen. Dessen Partei, die FPÖ, legte gegen die Wahl Einspruch ein. Diesem Einspruch könnte vom Verfassungsgerichtshof stattgegeben werden.

Auf 152 Seiten fasste der Anwalt der Freiheitlichen, Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer, die zahlreichen Pannen und Unregelmäßigkeiten zusammen, die es bei der Stichwahl am 22. Mai gegeben haben soll. Was anfangs wie eine Trotzreaktion eines schlechten Verlierers aussah, bewerten nun Juristen als ernstzunehmende Anfechtung, der gute Chancen eingeräumt werden.

Die Vorwürfe der FPÖ beziehen sich ausschließlich auf den unsachgemäßen und möglicherweise gesetzeswidrigen Umgang mit Wahlkarten. Von diesen wurden 885.000 Stück ausgegeben, was bei einer Gesamtzahl der Wahlberechtigten von 6,4 Millionen fast 14 Prozent ausmacht. Eine Vielzahl örtlicher Wahlbehörden hat offensichtlich den gesetzlich vorgeschriebenen Umgang bei der Auszählung der Wahlkarten ignoriert. So sollen insgesamt fast 60.000 Wahlkarten zu früh und nicht in Anwesenheit der Wahlkommission von dafür nicht berechtigen Personen ausgezählt worden sein. Auch die Trennung von gültigen und ungültigen Stimmen sei ohne amtliche Kontrolle und außerhalb der vorgesehenen Zeiten erfolgt, so der FPÖ-Anwalt.

Die Sache drängt, weshalb der Verfassungsgerichtshof (VGH) sämtliche laufenden Verfahren ausgesetzt und für die kommende Woche drei öffentliche Verhandlungstage anberaumt hat, an denen die Wahlanfechtung der FPÖ behandelt wird. 50 verantwortliche Personen aus unterschiedlichen Bezirkswahlbehörden sind als Zeugen geladen.

Unter den Höchstrichtern und Verfassungsexperten herrscht Fassungslosigkeit über das Ausmaß der Unregelmäßigkeiten, wenn man der Tageszeitung »Die Presse« glauben schenkt. Sie hat nach eigenen Angaben in ihrer Donnerstagausgabe nachrecherchiert und kam zu dem Schluss, dass die Wahl wahrscheinlich wiederholt werden muss. Zumindest juristisch scheint die Sache einigermaßen klar. Wenn die Höchstrichter zu dem Schluss kommen, dass zumindest 15.432 Wahlkarten – die Hälfte des Stimmenvorsprungs von van der Bellen – von dafür nicht berechtigten Personen ausgezählt worden sind, dann müsste der Anfechtung aus Formalgründen stattgegeben werden. Politisch käme dies einem Erdbeben an Vertrauensverlust in die Rechtsordnung gleich. Deshalb könnte der VGH davor zurückschrecken.

Die FPÖ vermied es in ihrem Einspruch, den Wahlbehörden Manipulationsabsichten zu unterstellen. Das Pochen auf den korrekten Ablauf, so selbstverständlich das in einer parlamentarischen Demokratie sein sollte, hat allerdings auch einen parteipolitischen Hintergrund. Die Wahlkarten sind der FPÖ ein Dorn im Auge, weil ihre Klientel an Wahlsonntagen wesentlich weniger mobil ist als jene der grün und liberal gesinnten Parteien. Sollte es tatsächlich zu einer Wahlwiederholung kommen, dürfte auch zum Thema »Wahlkarten« heftig diskutiert werden.

Schützenhilfe für die Anfechtung der Bundespräsidentenwahl kam Mitte dieser Woche von eben jenem Verfassungsgerichtshof, der in den kommenden Tagen den Einspruch der FPÖ behandeln muss. Er hob in einem ähnlich gelagerten Fall das Wahlergebnis des Wiener Bezirkes Leopoldstadt vom Oktober 2015 auf. Damals waren 23 ungültige Stimmen unter die Briefwahlkuverts gemischt und als gültige gezählt worden. Da die FPÖ 21 Stimmen hinter den Grünen zu liegen kam und die Reihenfolge für die Bestellung des stellvertretenden Bezirksvorstehers von Bedeutung ist, muss diese Wahl wiederholt werden.

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