Russische Hools greifen spanische Antifaschisten an
Antifaschistische Koordination Madrid äußert sich zu dem Überfall in Köln: Solidarität ist »unsere stärkste Waffe« / Haftbefehle / Kroatischem Fußball-Verband droht nach Fan-Ausschreitungen Strafe / Trainer Cacic: »Das sind Terroristen«
Berlin. Nach einem brutalen Angriff auf drei Spanier in Köln sind fünf russische Hooligans in Untersuchungshaft genommen worden. Ein Richter erließ Haftbefehle gegen die fünf Männer, wie ein Polizeisprecher am Samstagmorgen sagte. Ihnen wird gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt. Ein sechster Mann wurde freigelassen, weil sich der Tatverdacht gegen ihn nicht hatte begründen lassen. Die Männer sollen am Donnerstag auf der Kölner Domplatte drei Spanier - zwei Männer und eine Frau - verprügelt haben, als diese antifaschistische Aufkleber auf einen Bauzaun klebten. Die beiden Männer wurden durch Schläge und Tritte verletzt, einer von ihnen erlitt einen Nasenbeinbruch. Inzwischen konnten sie das Krankenhaus verlassen.
Inzwischen hat sich die Antifaschistische Koordination Madrid zu dem Überfall in Köln geäußert. Den Angegriffenen gehe es den Umständen entsprechend gut, heißt es. Bei dem Überfall hätten die fünf rechten Hooligans aus Russland einen der Spanier auf englisch angesprochen, ob er »Antirascist« und »Antifa« sei - weil dieser ein Refugees-Welcome-Shirt getragen hatte. Die Rechtsradikalen hätten daraufhin direkt angefangen, »die Spanier zu schubsen und begannen direkt im Anschluss ohne weitere Vorwarnung, auf die beiden einzuprügeln.« Der Angriff von Köln dürfe »nicht als Einzelfall betrachtet werden«, heißt es in der Erklärung weiter. Es handele sich um einen weiteren »Fall von faschistischer Gewalt, welche Tag für Tag in verschiedensten Orten Europas und der Welt geschieht, und es ist unsere Pflicht als Antifaschist*innen, die von Neonazis ausgehende Gewalt anzuprangern«. Die Solidarität sei »unsere stärkste Waffe in Momenten wie diesem«.
Schon kurz vor dem Angriff seien die Hooligans am Kölner Hauptbahnhof einem Zivilbeamten aufgefallen, weil sie herumgegrölt hätten. Um sie zu kontrollieren, habe er Verstärkung angefordert. Unmittelbar vor Eintreffen der Hundertschaft seien die Russen auf ihre Opfer losgegangen. Daraufhin waren fünf Tatverdächtige im Alter zwischen 26 und 30 Jahren festgenommen worden, später in der Nacht ein weiterer. Einer der Verdächtigen kam dann am Freitag frei.
Nach Erkenntnissen der Polizei waren die Hooligans mit dem Zug aus Brüssel nach Köln gekommen und wollten von dort aus in ihre Heimat zurückfliegen. Bei sich hatten sie laut Polizei »hooligantypische Gegenstände«, um sich zu maskieren und die Zähne zu schützen. Außerdem fanden die Beamten bei ihnen Karten für die EM-Spiele England-Russland und Russland-Slowakei. Laut Polizei waren die Festgenommenen am 10. Juni von Moskau nach Marseille geflogen.
Eine Ermittlungsgruppe versucht, die Hintergründe der Attacke ans Licht bringen und zu klären, ob die Männer auch an den Ausschreitungen russischer Hooligans bei der Fußball-EM in Marseille beteiligt waren. Dabei waren am Samstag 35 Menschen verletzt worden. Nach Darstellung der Behörden waren 150 gut organisierte russische Hooligans daran beteiligt.
Derweil drohen dem kroatischen Fußball-Verband bei der EM in Frankreich eine drastische Strafe. Nach den Ausschreitungen kroatischer Fans während des 2:2 (1:0)-Unentschiedens gegen die Tschechische Republik wird die Disziplinarkommission der Europäischen Fußball-Union noch am Samstag ihre Ermittlungen aufnehmen. Sie wartet dazu nur noch den Bericht des offiziellen UEFA-Delegierten ab, der am Freitagabend in Saint-Etienne im Stadion war. Denkbar ist sogar, dass die kroatische Mannschaft bei dieser EM nur noch auf Bewährung weiterspielen darf, so wie es bei den Russen nach den schweren Fan-Krawallen am ersten Turnier-Wochenende in Marseille der Fall ist. Denn die Kroaten gelten in dieser Hinsicht als vorbestraft. Ihre Anhänger hatten allein während der EM-Qualifikation 2014 und 2015 schon dreimal für verschiedene Eklats gesorgt.
»Das war Terror. Ich nenne diese Leute Hooligans, nicht Fans, das sind Terroristen!«, schimpfte der erschütterte Nationaltrainer Ante Cacic: »Ihr Platz ist nicht im Stadion. Gegen Italien in Mailand gab es Nazi-Zeichen, die ruinieren alles, was wir tun. Das ist eine Schande vor den Augen ganz Europas!« Spielmacher Ivan Rakitic sagte dem ZDF: »Ich möchte mich bei der UEFA und der tschechischen Mannschaft entschuldigen. Das richtige Wort für diese Leute ist im Fernsehen nicht erlaubt.« Selbst Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic schaltete sich ein. Sie bezeichnete die Randalierer am Abend als »Staatsfeinde, die ihre Mannschaft und ihr Land hassen. Schämt euch!«
Die Kroaten führten nach Toren von Ivan Perisic (37.), Rakitic (59.) und einem Gegentreffer von Milan Skoda (76.) hochverdient mit 2:1, als aus dem kroatischen Fanblock in der 86. Minute auf einmal mehrere bengalische Feuer und auch Knallkörper auf das Spielfeld geworfen wurden. Einer der Knallkörper explodierte direkt neben einem Ordner, als der gerade die brennenden Fackeln vom Rasen holen wollte.
Danach lieferten sich die kroatischen Fans untereinander wüste Schlägereien, die Partie wurde für rund vier Minuten unterbrochen. Als Schiedsrichter Mark Clattenburg das Spiel wieder anpfiff, waren Rakitic und Co. völlig aus ihrem Konzept gebracht. Die Tschechen kamen durch einen Handelfmeter von Tomas Necid (90.+3) noch zum 2:2. »Meine Spieler haben durch die Unterbrechung ihre Konzentration verloren«, sagte Cacic hinterher. »Auch sie hatten Freunde und Familie auf der Tribüne. Sie konnten das danach nicht einfach ausblenden und so weiterspielen, als wäre nichts geschehen.« Das Weiterkommen seines Teams ist mit vier Punkten nach zwei Spielen immer noch sehr wahrscheinlich. Die Frage ist nur, ob sich die Mannschaft von diesen Schockerlebnissen noch einmal erholen wird.
Die Ausschreitungen stehen in einer langen Reihe ähnlicher Eklats. Bereits das EM-Qualifikationsspiel in Italien musste 2014 mehrfach unterbrochen werden, weil kroatische Fans in Mailand Feuerwerkskörper auf das Spielfeld schossen. Die Reaktion der UEFA: Eine Geldstrafe und ein Teilausschluss der Anhänger beim Heimspiel gegen Norwegen. Als es da zu rassistischen Gesängen kroatischer Fans kam, verschärfte die UEFA ihr Strafmaß. Das Rückspiel gegen Italien musste vor leeren Rängen stattfinden - bildete aber trotzdem die Kulisse für den nächsten Skandal. Einige Anhänger präparierten den Rasen des Stadions in Split so, dass darauf ein Hakenkreuz zu erkennen war. Die Strafe dafür waren zwei weitere Heimspiele ohne Fans sowie ein Punktabzug in der EM-Qualifikation, der sportlich aber folgenlos blieb.
Weil es im Frühjahr selbst bei zwei Freundschaftsspielen gegen Israel und Ungarn erneut diskriminierende Gesänge gab, müssen die Kroaten im Herbst auch in der WM-Qualifikation zwei Heimspiele ohne Zuschauer bestreiten. »Wir haben seit 15 Jahren ein Hooligan-Problem - und keiner kümmert sich darum«, klagt Verbandspräsident Davor Suker. Agenturen/nd
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