Vision vom Drei-Stunden-Arbeitstag

Bildungsrauschen

  • Lena Tietgen
  • Lesedauer: 2 Min.

Eines der exponiertesten, privatwirtschaftlich arbeitenden Institute für Trend- und Zukunftsentwicklung ist das 1998 gegründete »Zukunftsinstitut« mit Sitz in Frankfurt am Main und Wien. (zukunftsinstitut.de) Gründer ist der 1955 geborene Soziologe Matthias Horx, der zuvor als Comiczeichner und Journalist arbeitete. Für sein Ziel, die »Futurologie der 1960er und 70er Jahre zu einer Consulting-Disziplin für Unternehmen, Gesellschaft und Politik« zu entwickeln, verband er methodologisch System-, Sozial-, Kognitions- und Evolutionswissenschaften zu einer »Synthese-Prognostik«. (horx.com) Heute versteht sich das Institut europaweit als führender Think Tank.

Die Liste der Referenten liest sich wie das Who’s Who der neoliberalen, kreativen Aufsteiger der 1990er Jahre. So ist Geschäftsführer Harry Gatterer »Experte für New Living« (forumzukunft.at). Mit 20 Jahren gründete er sein erstes Unternehmen und wurde später Vorsitzender der »Jungen Wirtschaft Österreich«. Interessanter, weil schillernder, ist der aus der Geschäftsführung von Microsoft Österreich kommende Topmanager Franz Kühmayer als »Experte für die Zukunft von Arbeit«. In seinem Leadership Report 2016 fordert er für Unternehmen eine »Verrückte Verantwortung« (Crazy Responsibility) mit Querdenkern auf der Führungsebene. Sein Credo: »weniger Struktur, mehr Freiheit«. Den Mitarbeitern wünscht er eine Ermöglichungspraxis (Enabling). Sie sollten »ermutigt« werden, sich »weitestgehend selbst zu organisieren«. Dazu müssten »Räume geöffnet, Chancen geschaffen und Unterstützung angeboten« werden. Dies bezeichnet er als »Antiwork« und spricht hierbei von einer »moralischen Alternative zu unserer gegenwärtigen Job-Obsession«, wie er er in einem Interview auf karrierefuehrer.de erläutert.

Kühmayers Arbeitsbegriff grenzt sich vom gängigen ab: »Ein Drei-Stunden-Arbeitstag an einem persönlich ausgesuchten Ort ist häufig produktiver als ein Zwölf-Stunden-Tag voller mühsamer, aber ergebnisloser Meetings.« Der Schlüssel hierfür sei Bildung. Bereits 2011 propagierte er in »Begabung 2020« (bildung-und-begabung.de) die »Vernetztende Individualisierung« als Lösung der demokratisch-politischen Krise. Zukünftig sollten Lernziele darin bestehen, die »Welt zu verstehen, zu meistern und gemeinsam Neues zu schaffen«. Unternehmergeist sei dabei genauso gefragt wie soziale und interkulturelle Kompetenz, Innovation und Wissensmanagement.

Hinter all dem steht allerdings nicht die Vision einer nachkapitalistischen Gesellschaft, sondern das Ziel, den Kapitalismus zu optimieren. Lena Tietgen

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