Endspiel um Palästina
Regisseur Eyal Halfon verrät im »nd«-Gespräch, warum er in »90 Minuten« Palästinenser und Israelis ausgerehncet mit einem Fußballspiel den Nahostkonflikt lösen lassen will
Warum ausgerechnet ein Fußball-Spiel?
Die Idee ist so verrückt, dass sie vielleicht beide Seiten zum Lachen und Nachdenken bringt. Alle Versuche, den Konflikt mit diplomatisch zu lösen, sind gescheitert, weil keine Seite nachgeben will.
Sie haben die Hoffnung aufgegeben?
Die Situation ist hoffnungslos. Während der zehnjährigen Vorbereitung des Films scherzte ich mit israelischen Parlamentariern, ob die Finanzierung erst stehe, wenn eine Übereinkunft erzielt sei. Sie haben mir die Ängste genommen. Sie glauben nicht an Fortschritte im Friedensprozess. Vielleicht raufen wir uns in 20 Jahren zu einem Abkommen mit der gegenseitigen Anerkennung und friedlichen Koexistenz zusammen. Wie einst die Deutschen. Aber ist das eine Lösung? Nein! Eine Lösung dieses Konflikts werde ich nicht erleben.
Was sprach für den Fußball?
Fußball ist sehr populär, jeder versteht die Regeln. Tor ist Tor, oder war es doch Abseits? Die Sprache der Fußballwelt erlaubte mir auch eine unkonventionelle, politisch unkorrekte Sprache.
Weshalb haben Sie das Match nach Portugal verlegt?
Die Entwicklung der Geschichte begann nach der Euro 2004. Eine Änderung anlässlich der WM in Deutschland 2006 kam nicht in Frage. Das hätte dem Spiel einen ungewollten Touch gegeben. Meine erste Wahl war die Schweiz, auch Russland hätte ich mir vorstellen können. Letztlich sprach alles für Portugal. Das Land liegt weit ab vom Schuss und ist zu klein, um die Weltpolitik zu beeinflussen.
Warum haben die Israelis einen deutschen Trainer?
Die Deutschen haben Ahnung vom Spiel, vor allem gibt die Herkunft des Coaches dem Spiel weitere Brisanz und macht die Geschichte um das Spiel surrealer. Ich wollte alles nutzen, um diese Ebene zu unterstreichen.
Eine der israelischen Mütter bittet ihren Sohn, nicht zu spielen. Gibt es Mütter, die ihre Kinder nicht in Armee schicken wollen?
Während des Libanon-Konflikts gingen Mütter gegen die Einberufung ihrer Kinder auf die Straße. Sie waren mein Vorbild. Die Mutter des Spielers ist auch nicht gegen eine Lösung des Konflikts, nicht mal gegen das Fußballspiel. Sie will diese Verantwortung nur nicht ihrem Sohn auferlegen, weil sie sich um dessen Gesundheit sorgt. Sie will ihre Familie raushalten. Aber das kann keiner in Israel.
Spielen Israelis palästinensischer Herkunft wie in Ihrem Film in der Nationalmannschaft?
Palästinenser mit israelischer Staatsbürgerschaft gehören zu den Teams im Basketball, Schwimmen oder Fußball. Keiner stört sich daran. Auch wenn sie die Nationalhymne nicht mitsingen. Die Diskussion wird erst beginnen, wenn die Palästinenser mit eigenen Mannschaften antreten können.
Am Ende bleibt der Eindruck, dass sich Palästinenser und Israel in ihrer Mentalitäten sehr ähnlich sind?
Sie ähneln sich mehr als ihnen lieb ist. Beide Seiten sind stur, verletzen sich mit Worten und Waffen, sie sind nicht willens, Kompromisse zu schließen. Beide ignorieren die Bedürfnisse der anderen Seite. Aber letztlich sind sie Menschen. Sie leiden unter der absurden Situation, sie wissen insgeheim, dass der Konflikt gelöst werden muss. Denn beide Völker sind durch den Dauerstress krank geworden. Sie weigern sich nur, dies anzuerkennen. Sie sehen sich als Helden, wenn sie auf ihrer Meinung beharren und keiner Lösung zustimmen. Mit dieser Ignoranz machen sie alle krank, die eine Lösung anstreben.
Wird der Film in Israel und in Palästina laufen?
Der Films wird am Ende des Sommers in Israel starten. Jede Vorstellung in den palästinensischen Gebieten macht mich glücklich. Während des Drehs knüpften wir Kontakte mit den palästinensischen Behörden, wo der Film hoffentlich ebenso gezeigt werden kann.
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