Gelassenheit statt Panik
Eine Demokratie muss die restaurativen Ideen der AfD aushalten, meint Jürgen Amendt
Die Frage, ob die AfD für die Demokratie eine Gefahr darstellt, kann auf zwei Arten beantwortet werden. Man kann die Frage zum einen bejahen. In der Tat vertritt die Partei Positionen, die undemokratisch zu nennen noch eine Untertreibung wäre. Das gilt auch für den Bereich der Bildung. Wer von einer »bewussten Umvolkung durch Zuwanderung« spricht, bedient sich eines rechtsextremen Vokabulars.
Man kann die Frage aber auch verneinen, denn gerade hinsichtlich ihrer bildungspolitischen Programmatik befindet sich die AfD in Übereinstimmung mit vielem, was dem demokratischen Meinungsspektrum zugerechnet wird. Die Forderung nach »leistungshomogenen Lerngruppen« etwa, verbunden mit einer verbindlichen Zuweisung auf weiterführende Schularten, also die Abschaffung des Elternwunsches bei der Schulwahl, gilt seit jeher als fester Bestandteil konservativer Bildungspolitik. Die CSU in Bayern argumentiert offiziell noch heute so (wenn sie auch in der Praxis oft eine andere Politik verfolgt), und auch in der CDU bis in Kreise der SPD hinein sind diese Vorstellungen konsensfähig.
Die Wahlerfolge der AfD haben auch darin ihre Ursache, dass die Partei das restaurative Denken jener Bevölkerungsteile bedient, die sich durch die gesellschaftlichen Veränderungen und Reformen der zurückliegenden drei Jahrzehnte in der Eigenwahrnehmung von der Mehrheit zur Minderheit gewandelt haben. Die Partei bietet mit ihren bildungspolitischen Vorstellungen jenen eine Heimat, die sich von einer Entwicklung überfordert sehen, die ihnen permanente Veränderungsbereitschaft abfordert. Früher war ein Hauptschulabschluss Garant für einen Zugang zum Berufsbildungssystem und einem Job, den man den Rest seines Berufslebens ausüben konnte, ohne je wieder die Schulbank drücken zu müssen; das Abitur führte zu einem Studium, ein Hochschulabschluss zu einer lebenslangen Garantie auf einen gut dotierten und sozial hochgestellten Beruf. Heute arbeiten Wissenschaftler in prekären Verhältnissen und wird selbst in Handwerksberufen die Bereitschaft zum lebenslangen Lernen eingefordert. Die AfD kann da zumindest ein wenig Linderung fürs globalisierungsgestresste Gemüt versprechen. Mit zukunftsfähiger Politik hat das allerdings nichts zu tun.
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