Werbung

Philosoph fordert mehr »Ungehorsam« in Betrieben

Patrick Spät: »Kein Naturgesetz, dass Löhne so niedrig sein müssen« / Bedingungsloses Grundeinkommen ändert nichts an Besitzverhältnissen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. »Etwas mehr Streikbereitschaft« und mehr »Mut, für gute Arbeitsbedingungen und eine gerechtere Verteilung zu kämpfen«, das fordert der Philosoph Patrick Spät. Angesichts der sozialen und ökologischen Folgen des Kapitalismus plädierte der Autor gegenüber dem Portal Zeit online für mehr »Ungehorsam« der Beschäftigten. Es sei »ja kein Naturgesetz, dass Löhne so niedrig sein müssen, dass sie nur gerade eben oder halbwegs gut zum Leben reichen«, so Spät. Er sei davon »überzeugt, dass große Gewerkschaften noch viel Macht ausüben können«, dies zeige auch das Beispiel Frankreich, wo Hunderttausende gegen die Reform der Arbeitsgesetze demonstriert haben. Spät äußerte sich zugleich wohlwollend darüber, dass hierzulande etwa die Gewerkschaft ver.di »wieder taffer geworden« sei. Dies sei ein guter Anfang.

Mit Blick auf die aktuelle Welle der Automatisierung auf der Basis von immer neuen technologischen Schüben der Digitalisierung warnte Spät in dem Gespräch vor zu großen Erwartungen an ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Er gehe zwar auch davon aus, »dass künftig nur noch zehn Prozent der Erwerbsfähigen einen Job haben, von dem sie auch gut leben können«. Hierbei handele es sich vor allem um hochspezialisierte Experten. Zehn weitere Prozent würden zudem »noch Arbeiten verrichten, welche die Maschinen nicht übernehmen können – der ganze Rest wird vor der Frage stehen, womit er seinen Lebensunterhalt verdient«.

Doch so »verlockend« die Vorstellung sei, ein staatlich garantiertes Einkommen zu haben, werde dies an den Grundproblemen nichts ändern: den Besitzverhältnissen. »Der gesellschaftliche Reichtum bleibt im privaten Besitz der Reichen, die ebenfalls Grundeinkommen bekommen würden. Die Armen werden am Rande des Existenzminimums ruhig gestellt und sollen weiter konsumieren, um das System am Laufen zu halten«, so Spät. Er verwies zudem auf die räumlichen und strukturellen Grenzen eines solchen Modells. Stattdessen plädierte der Autor von »Die Freiheit nehm ich dir« für eine höhere Kapitalertragssteuer und einen höheren Spitzensteuersatz sowie eine Automatisierungsdividende und eine Robotersteuer.

Am Kapitalismus kann Spät nicht gerade viel Gutes entdecken. »Die Vermögensverteilung wird auch in den europäischen Sozialstaaten immer ungleicher«, so der studierte Philosoph, Soziologe und Literaturhistoriker. »Dass der Kapitalismus für alle mehr Wohlstand schaffte, war nur in der historisch einmaligen Situation nach dem Zweiten Weltkrieg möglich.« Zwar sei unter anderem wegen der Finanzkrise und des immer stärkeren Auseinanderklaffens von Arm und Reich »die Kritik am Kapitalismus wieder salonfähig geworden. Aber eine Revolution wird ausbleiben«, glaubt Spät. Dies liege nicht zuletzt daran, dass es »in den westlichen Sozialstaaten noch zu viele Menschen gibt, die der Marktlogik und deren angeblicher Alternativlosigkeit huldigen« - oft aufgrund mangelndem Wissens. Man könne die Verhältnisse aber auch nicht über »besseres Kaufverhalten« umwälzen, so Spät. »Kein einziger Konsument, kein einzelner Bürger kann das System verändern. Das einzige, was wir vielleicht verändern können, ist unsere Einstellung zum Kapitalismus – und unsere Protestbereitschaft.« vk

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -