Hinkley Point C wieder in der Schwebe
So schnell wird das britische AKW wohl nicht gebaut
Die britische Regierung hat überraschend angekündigt, den Bau des umstrittenen Atomkraftwerks Hinkley Point C zu überprüfen. Dabei hatte der Verwaltungsrat des französischen Energiekonzerns EDF am Donnerstag dem Projekt nach jahrelangem Zögern zugestimmt. Nun will die britische Regierung aber noch einmal in die Bücher schauen.
In Hinkley Point C in der Grafschaft Somerset sollen zwei Reaktoren entstehen, die sieben Prozent der Energie Großbritanniens bereitstellen könnten. Die Bauarbeiten werden laut EDF 25 000 Stellen schaffen. Der französische Konzern, zu 85 Prozent in staatlicher Hand, wird den Großteil der Kosten von 18 Milliarden Pfund (21,4 Milliarden Euro) übernehmen, das chinesische Unternehmen CGN rund ein Drittel.
Das Projekt ist vor allem aufgrund einer merkwürdigen Vereinbarung in die Kritik geraten: EDF soll über 35 Jahre einen Fixpreis für die von Hinkley Point C generierte Elektrizität erhalten. Der britische Staat garantiert einen Abnahmepreis von 91,5 Pfund pro Megawattstunde, über das doppelte des Großhandelspreises. Damit würden die Konsumenten die Firma mit rund 30 Milliarden Pfund über drei Jahrzehnte subventionieren. Das Kraftwerk sei »der teuerste weiße Elefant in der Geschichte Großbritanniens«, sagte Caroline Lucas, einzige Grünen-Abgeordnete im Unterhaus.
Dazu kommt, dass andere Projekte von EDF in Schwierigkeiten stecken und die Kompetenz der Firma in Zweifel gezogen wird. Der Bau des größten Nuklearreaktors der Welt im französischen Flamanville ist Jahre im Verzug, die Kosten haben sich verdreifacht. Auch hat die französische Behörde für Nuklearsicherheit schwere Mängel im Stahlmantel von Flamanville entdeckt. EDF hat zudem wegen der niedrigen Energiepreise massive Schulden angehäuft, eine Investition in der Größenordnung von Hinkley Point stellt ein großes Risiko dar. Aus diesem Grund warf der Finanzchef des Konzerns im Frühjahr das Handtuch, am Donnerstag trat ein weiteres Verwaltungsratsmitglied zurück.
-
/ Sascha Zastiral, LondonGroßbritannien baut neues AKWRegierung genehmigt Hinkley Point C trotz Kritik - unter strengen Auflagen
-
/ Karl RösselDie Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg: Unaufgearbeitete GeschichteIm Zweiten Weltkrieg kämpften mehr Soldaten aus der Dritten Welt als aus Europa, deren Rolle ist aber kaum bekannt
-
/ Hermannus PfeifferComeback der Atom-LobbyIn der EU wollen vor allem französische Industriekonzerne neue Kernkraftwerke bauen
Das Zögern könnte der Tatsache geschuldet sein, dass Regierungschefin Theresa May gegenüber chinesischen Investitionen kritischer eingestellt ist als ihr Vorgänger. Als Innenministerin hatte May wiederholt Sicherheitsbedenken angeführt, ihr Stabschef Nick Timothy warnte, dass chinesische Investitionen in heiklen Sektoren zu Erpressungsversuchen durch die chinesische Regierung führen könnten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.