Französische Polizei jagt Frauen mit Schleier am Strand
An der Mittelmeerküste verteilen Beamte Strafzettel an Musliminnen, die einfache Kopftücher tragen
Was dürfen Frauen an Frankreichs Stränden nun eigentlich tragen, ohne einen Strafzettel zu bekommen – und ab wann ist ein Burkini eigentlich ein Burkini? Mit diesen und anderen absurden Fragen müssen sich am südfranzösischen Mittelmeer Frauen auseinandersetzen, die einen Schleier tragen. Denn wie sich ihre Strandbekleidung genau zusammensetzt, wird inzwischen von Polizisten kontrolliert.
In Cannes hat eine 34-jährige vergangene Woche einen Strafzettel erhalten, weil sie Leggings, eine Tunika und einen Hijab trug – ein Kopftuch, das das Gesicht frei lässt. In dem Bußgeldbescheid, den sie von der Polizei erhielt, steht, ihre Kleidung sei nicht »korrekt« und respektiere nicht die »Werte des Laizismus«. Der Bescheid ist in der französisch-maghrebinische Zeitung Le Courrier de l’Atlas dokumentiert.
Siam, die betroffene Familienmutter, ging mit dem Strafzettel an die französische Presse und kündigte an, Widerspruch einzulegen. Wie die linksliberale Wochenzeitung Nouvel Observateur berichtet, wollte sie ihren Namen nicht nennen, weil sie auf Arbeitssuche sei. Sie habe mit ihrer Familie am Strand gelegen, einen »klassischen Hijab« um den Kopf, als drei Polizisten sie auf ihre »inkorrekte Kleidung« ansprachen. »Ich war nicht dort, um irgendjemanden zu provozieren, und ich hatte nicht die Absicht, zu baden«, sagte sie der Zeitung. Gegenüber den Polizisten weigerte sie sich, das Bußgeld von elf Euro zu zahlen, da sie keinen Burkini trug. In der Ende Juli vom Bürgermeister David Lisnard beschlossenen Verordnung heißt es jedoch wörtlich: »Der Strandbesuch ist verboten für jede Person, die keine korrekte Kleidung trägt, die die gute Moral und die Laizität respektiert, und die die Regeln der Hygiene und der Sicherheit der Badenden achtet.«
Am Strand sorgte die Auseinandersetzung für Aufsehen. Wie die linke französische Tageszeitung »Libération« berichtet, hätten Strandbesucher der Polizei applaudiert und der Frau zugerufen: »Geh dahin zurück, wo du herkommst!« Die Internetplattform Buzzfeed zeigt zudem Twittervideos aus Nizza, die Diskussionen zwischen Polizisten und schleiertragenden Frauen am Strand. So wurde eine Frau gezwungen, ihr langärmeliges Shirt auszuziehen – eine andere wurde von den Beamten aufgefordert, den Strand zu verlassen. Um sie bildete sich eine Traube von Menschen, die mitdiskutierten.
Das »Kollektiv gegen die Islamophobie in Frankreich« (CCIF) hat inzwischen angekündigt, die Betroffenen zu unterstützen. Insgesamt 16 Bußgelder gegen Frauen am Strand zählt die Organisation bisher. Keine der Betroffenen habe einen Burkini getragen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.