Mit dem Grundgesetz gegen CETA

Neuer Rekord: Über 125 000 Gegner des Freihandelsabkommens reichen Bürgerklage in Karlsruhe ein

Stellvertretend für 125 047 Mitkläger hat ein Bündnis gegen das Freihandelsabkommen CETA die größte Bürgerklage in der Geschichte des Bundesverfassungsgerichts eingereicht. Ein Laster brachte die Vollmachten aus Erfurt, wo sie im gemeinnützigen Christophoruswerk erfasst und sortiert worden waren, nach Karlsruhe. Dort reichten mehr als 200 Unterstützer die 70 Kartons bei der Aktion am Mittwoch in einer Menschenkette bis vor das Gerichtsgebäude weiter, wo sie unter Jubel und Applaus zu dem großen Schriftzug »125 000 gegen CETA« gestapelt wurden.

»Wir kämpfen für unsere Demokratie«, rief Lena Blanken von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch. Das Abkommen zwischen der EU und Kanada müsse dringend verfassungsrechtlich überprüft werden.

Hinter der Klage, die der Kölner Völkerrechtsprofessor Bernhard Kempen ausgearbeitet hat, stehen neben Foodwatch auch das Kampagnennetzwerk Campact und der Verein Mehr Demokratie. Sie beklagen, dass CETA den Einfluss von Parlamenten schwächen würde, wodurch auch die Stimmen von Wählern weniger wert wären. CETA verstoße gleich in vier Punkten gegen das Grundgesetz. So sollten europäisch-kanadische Ausschüsse so weitreichende Befugnisse erhalten, dass sie den Vertrag unter Umgehung der Parlamente auslegen und verändern können. Auch würden geplante Schiedsgerichte eine unzulässige Paralleljustiz mit Sonderrechten für kanadische Investoren einrichten. Selbst US-Unternehmen mit einer Tochterfirma in dem Nachbarland könnten davon Gebrauch machen und wären nicht auf das im Verhandlungsstadium befindliche Abkommen TTIP zwischen den USA und der EU angewiesen. Dieses steht auf der Kippe, da sich mittlerweile Frankreich und Teile der Bundesregierung skeptisch äußern.

Die Initiatoren der Bürgerklage wollen zudem per Eilantrag verhindern, dass CETA mit der für Ende Oktober geplanten Unterzeichnung noch vor einem Parlamentsvotum für vorläufig anwendbar erklärt wird. Karlsruhe solle den deutschen Vertreter im EU-Handelsministerrat, derzeit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), auffordern, gegen dieses Verfahren zu stimmen. »Die vorläufige Anwendung von CETA ist brandgefährlich, denn damit werden Fakten geschaffen. Demokratisch nicht legitimierte Gremien und investorenfreundliche Schiedsgerichte würden bereits anfangen zu arbeiten, das Vorsorgeprinzip könnte ausgehebelt werden - das alles ohne Zustimmung des Bundestages«, erklärte Roman Huber, geschäftsführender Bundesvorstand des Vereins Mehr Demokratie.

Es ist bereits die fünfte Verfassungsbeschwerde gegen CETA. Erst am Samstag hatte eine 70 Jahre alte Musiklehrerin aus Nordrhein-Westfalen eine Bürgerklage mit mehr als 68 000 Vollmachten eingereicht.

Nach einer Studie im Auftrag der LINKEN im Europaparlament würden die Abkommen CETA und TTIP soziale Unterschiede verschärfen. mit Agenturen Seite 9

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