»Wir sind nicht zufrieden«: Klatsche für die Linkspartei
Schlechtestes Wahlergebnis seit der Wende / Spitzenkandidat Holter enttäuscht / Ramelow: Linkspartei muss »neue Wege denken und gehen«
Bei der Linkspartei herrschte am Sonntagabend nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern schwere politische Katerstimmung. Von einer Wahlparty konnte man nicht sprechen: Laut ersten Zahlen erreichten die demokratischen Sozialisten im Nordosten nur um die 12,5 Prozent – deutlich weniger als bei der Abstimmung vor fünf Jahren, klar unter den eigenen Zielen und auch ein bisschen historisch: Es ist das bisher schlechteste Landtagswahlergebnis. 1990 hatte die PDS 15,7 Prozent erreicht, den höchsten Wert erzielte man 1998 mit 24,4 Prozent.
In einem Schweriner Lokal verfolgten denn auch rund 60 Anhänger der Partei »mit steinerner Miene die erste Hochrechnung und schüttelten die Köpfe über den massiven Stimmengewinn der AfD«, wie es die Deutsche Presse-Agentur schildert. Landtagsfraktionsvize Simone Oldenburg machte die bundespolitische Themendominanz mitverantwortlich dafür, dass die LINKE so schwach abgeschnitten hat. Und weiter: »Offenbar hat die AfD mit dem Schüren von Zukunftsängsten mehr Erfolg gehabt als wir mit unseren Zukunftsperspektiven«.
Spitzenkandidat Helmut Holter zog ernüchtert Bilanz. Man habe das Wahlziel nicht erreicht, sagte er vor Anhängern und wiederholte eine schon vor der Wahl geäußerte Einschätzung: Man habe fünf Jahre engagierte, konstruktive Oppositionsarbeit gemacht und vor der Wahl Angebote zu allen wichtigen politischen Fragen gemacht – mit Sachargumenten sei man aber, in einem stark von Stimmungen geprägten Wahlkampf, nicht durchgedrungen. Auch der Stimmungswechsel sei leider nicht gelungen, sagte der bisherige Oppositionsführer im Landtag.
»Wir haben schon im Wahlkampf gespürt, dass es schwierig wird, unser damaliges Ergebnis zu halten. Aber das hatten wir nicht für möglich gehalten«, sagte die Landeschefin der Linken, Heidrun Bluhm. Dass rund jeder fünfte Wähler im Nordosten AfD gewählt hat, bezeichnete Bluhm als »Gefahr für die Demokratie«. Dazu zählte sie allerdings auch die Aussicht auf die wahrscheinliche Fortsetzung der Großen Koalition im Schweriner Landtag. »Eine solche Verbindung sollte eigentlich nur ein Ausnahmefall sein.« Mit Blick auf die AfD sagte Holter, »unsere Aufgabe ist es nun, dieser Partei die Maske des Biedermanns runterzureißen, damit die Fratze des Hasses sichtbar wird.« Wenn es nicht gelinge, in Mecklenburg-Vorpommern eine andere Politik im Land zu machen, dann stärke das die AfD nur weiter.
Bartsch: Wir werden das sehr ernst nehmen
Auch die Bundesebene der Linkspartei reagierte am Wahlabend schnell auf die Niederlage. »Alle im Bundestag und im Landtag vertretenen Parteien haben verloren«, sagte Bundestagsfraktionschef Dietmar Bartsch. »Wir werden das sehr ernst nehmen und sind nicht zufrieden.« Parteichef Bernd Rixinger sagte mit Blick auf die Debatte über Ängste unter den Wählern, die auch zur Stimmabgabe an die AfD führten, »die sozialen Sorgen nehmen wir ernst. Wir werden solidarische Lösungen aufzeigen. Im Teich der AfD fischen wir nicht.« Linkenchefin Katja Kipping forderte am Wahlabend, »wir müssen und werden angriffslustiger in sozialen Fragen werden«. Linksfraktionsvize Caren Lay erklärte, es werde »kein Wackeln in der Flüchtlingsfrage« geben. Und der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte, »wir bekämpfen nicht die AfD, wir müssen die Angst bekämpfen«. Für Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit müsse die Linkspartei »neue Wege denken und gehen«.
Lederer und Gysi werben für radikalen Politikwechsel
Auch der Spitzenkandidat der Linkspartei in Berlin, Klaus Lederer, wo in zwei Wochen abgestimmt wird, meldete sich zu Wort. In einem gemeinsamen Gastbeitrag mit dem langjährigen Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi für »nd« warben beide eindringlich für einen radikalen Politikwechsel. Es sei »höchste Zeit«, so die beiden Politiker, »dass etwas gegen die um sich greifende Verunsicherung und Hoffnungslosigkeit vieler Menschen unternommen wird«. Es gehe darum, »eine dem Rechtspopulismus entgegengesetzte Dynamik entfachen, die die progressive Veränderbarkeit der gesellschaftlichen Zustände – hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, Demokratie und Solidarität – wieder in das gesellschaftliche Zentrum rückt«.
Lederer und Gysi sehen darin auch einen entscheidenden Beitrag gegen die wachsende Demokratieverdrossenheit. Linke Veränderung sei möglich, »mit entsprechenden Mehrheiten könnten schon jetzt und recht bald einige Dinge grundlegend anders werden«, schreiben beide auch mit Blick auf Lösungen »für die brennenden europäischen und globalen Probleme«. Eine solche Politik sei »geeignet, die Erfahrung zu vermitteln, dass eine Änderung der Regeln auch die Lebensumstände breiter Schichten der Bevölkerung verbessern kann«. Das sei ein entscheidender Beitrag dazu, den Menschen »die Hoffnung wiederzugeben, dass die Gesellschaft politisch, nach ihren Interessen, durch sie selbst, gestaltbar ist«.
»Nicht an den Rechten orientieren«
Beide appellierten zudem an die LINKE, diese dürfe nicht »der Versuchung erliegen«, rechtspopulistischen Argumentationsmustern »auch nur einen Schritt in der irrigen Annahme entgegenzukommen, damit Wut und Verzweiflung ‚in linke Bahnen lenken‘ zu können«. In den vergangenen Monaten hatte es teils heftige innerparteiliche Diskussionen über Äußerungen unter anderem von Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht zur Asylpolitik gegeben. Der Grünen-Politiker Volker Beck twitterte unmittelbar nach dem Bekanntwerden der ersten Zahlen im Nordosten, er hoffe, »die Linke erteilt Sahra Wagenknechts Strategie der AfD-Umarmung jetzt eine klare Absage«.
Erste Zahlen zur Wählerwanderung zeigten indes, dass es vor allem frühere Wähler der CDU und der neonazistischen NPD waren, die nun die AfD angekreuzt haben. Der allergrößte Zustrom kam, wie schon bei vorherigen Landtagswahlen, aus dem Lager der Nichtwähler. Von der Linkspartei wandten sich demnach etwa 18.000 frühere Wähler Richtung Rechtsaußen ab, von der SPD etwa 16.000. Der Bundesschatzmeister der LINKEN, Thomas Nord, warnte am Abend vor einem Kurswechsel der Partei: »Nicht an den Rechten orientieren, sondern linke Wähler mit klarer Kante für soziale Gerechtigkeit und Weltoffenheit gewinnen«. mit Agenturen
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