DiEM25 bekommt ein »Koordinierungskollektiv«

Mitglieder von linker Europabewegung beschließen Organisationsgrundlagen / Netzwerk wurde als Internationale Organisation in Brüssel eingetragen

  • Tom Strohschneider
  • Lesedauer: 4 Min.

Die linke Europabewegung DiEM25 macht den nächsten Schritt - und hat ihre Mitglieder über »Organisationsgrundlagen« abstimmen lassen. Zudem wurde DiEM25 als Internationale Organisation in Brüssel nach belgischem und EU-Recht eingetragen, damit besitzt die Bewegung einen rechtlichen Status in der ganzen Europäischen Union und muss sich nicht als NGO in den 28 Mitgliedsstaaten einzeln anmelden. Die »Organisationsgrundlagen« sollen helfen, die Aktivitäten von DiEM25 voranzubringen - mit verbindlichen Regeln und Strukturen.

Es gehe darum, heißt es in dem Anfang der Woche per Onlinevotum beschlossenen Dokument, sowohl Basisdemokratie als auch grenzüberschreitende Praxis zu unterstützen. Dazu sind nun Strukturen und Regeln diskutiert worden. Fast 4.000 DiEM25-Mitglieder haben abgestimmt, 96 Prozent votierten nach einer im Netz geführten Debatte für die »Organisationsgrundlagen«. Die Beteiligung lag laut dem Netzwerk bei fast 80 Prozent – allerdings hat erst vor kurzem die Verifizierung der seit Februar registrierten Mitglieder begonnen, dies sind mit europaweit über 17.000 deutlich mehr Menschen.

Künftig wird DiEM25 eine Art Sprecherkreis haben - das so genannte Koordinierungskollektiv. Es sei nun die Zeit gekommen, über die spontane Gründungsphase hinauszugehen, die Anfang Februar des Jahres mit einer Auftaktveranstaltung in der Berliner Volksbühne begann. Es folgten weitere DiEM25-Runden in vielen Städten, hinter der Bildung des europäischen Netzwerkes standen eine Reihe von Initiatoren, darunter der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis.

Sie werden nun im Wesentlichen auch das erste, zwölfköpfige Koordinierungskollektiv bilden - dieses ist quotiert, kennt keinen Präsidenten, sondern nur einen alle paar Monate rotierenden Vorsitz, und es sollen auch keine prominenten Parteifunktionäre oder Regierungsvertreter aufgenommen werden. Auch werde das Gremium »nicht als ein Zentralkomitee auftreten, das Richtlinien erstellt«. Aufgabe sei vielmehr, Aktivitäten europäisch zu koordinieren, schnelle politische Reaktionen zu ermöglichen.

Für den ersten Lenkungskreis sind neben Varoufakis auch die DiEM25-Mitgründer Srecko Horvat und Lorenzo Marili, die türkische Autorin Elif Shafak, die Designerin Vivienne Westwood und Noam Chomsky vorgeschlagen. Auf der Wahlliste, über die derzeit abgestimmt wird, steht auch der Bewegungsaktivist Thomas Seibert, der im Vorstand des Instituts Solidarische Moderne engagiert ist.

Kandidieren können später alle Mitglieder. Die Wahlen sollen über die digitale Abstimmungsplattform von DiEM25 ablaufen, jedes Jahr wird die Hälfte der Sitze im Koordinierungskollektiv auf diese Weise personell erneuert. Zur Abstimmung sind alle Mitglieder berechtigt, sofern sie bereits für eine Mindestdauer dabei sind - das soll »betrügerische Registrierungen vor einer wichtigen Wahl« verhindern.

Allein auf ein Koordinierungskollektiv will sich DiEM25 aber nicht verlassen. In einem beratenden Ausschuss sollen »bekannte, einflussreiche Persönlichkeiten aus der ganzen Welt« mitwirken, darunter auch jene Künstler und Filmemacher, Ökonomen und Intellektuelle, Autoren und Aktivisten, die schon seit der DiEM25-Gründung »angezogen« wurden. Auf der ersten Vorschlagsliste stehen prominente Namen wie Slavoj Žižek, Saskia Sassen, Katja Kipping, Sandro Mezzadra, Susan George, James K. Galbraith, Barbara Spinelli, Jean Michel Jarre, Ken Loach, Joseph Stiglitz und Ada Colau.

Wichtiger noch ist das Beschlussfassende Gremium, das Entscheidungen treffen soll, zu denen es einen umfassenderen Konsens und eine Überprüfung braucht. Auch hier gelte: Es sei praktisch unmöglich, in jedem Fall und bei entsprechendem Zeitdruck, alle DiEM25 Mitglieder zu beteiligen. Aus ihrem Kreis sollen daher 100 Mitglieder, die sich zuvor dafür bereit erklärt haben, nach dem Zufallsprinzip und unter Berücksichtigung einer Geschlechterquote ausgewählt werden, um eine Art permanente Basisvertretung zu garantieren, die dennoch auch kurzfristig entscheidungsfähig ist. Bei allen großen Kursentscheidungen wird die Basis insgesamt zur Rate gezogen: per Urabstimmung.

Zu den Aufgaben des Beschlussfassenden Gremiums sollen unter anderem die Streitbeilegung auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene sowie Maßnahmen gegen Mitglieder gehören, die gegen die Grundwerte und Regeln von DiEM25 verstoßen haben. Unterhalb dieser Ebene sollen die aus wenigen örtlichen Mitgliedern bestehenden »Spontan-Gemeinschaften« von DiEM25 im weitesten Sinne unabhängig agieren - sofern sie nicht »den Geist des DiEM25-Manifestes oder aktueller DiEM25-Kampagnen verletzen«. Die Bewegung will sich auch mit Regeln für die politische Kommunikation davor schützen, dass auf lokaler Ebene politische Aktivitäten entfaltet werden, die nicht im Namen von DiEM25 laufen.

Programmatisch hat das Netzwerk jetzt das Ziel ausgegeben, bis Ende 2017 die Grundlagen für eine europäische, von der Graswurzelebene nach oben wachsende »Progressive Agenda für Europa« zu schaffen. Inhaltlich geht es dabei um die Forderung nach einem transparenten Europa, einen europäischen New Deal, um die Migrations- und Flüchtlingspolitik sowie Fragen der Ökologie, der Technologie, der Beschäftigung und eines Grundeinkommens. Eine zentrale Rolle spielt zudem das Ziel, einen Prozess für eine neue gesamteuropäische Verfassung in Gang zu setzen.

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