Ein wundersamer Aufstieg
Aleksander Čeferin ist neuer Präsident des europäischen Fußballverbandes.
Bis Mittwoch war es so: Gab man den Namen Aleksander Čeferin buchstabenweise in eine Internetsuchmaschine ein, tauchte er in der Liste erst nach dem »C« auf. Seit Mittwoch ist es so: Schon nach den Buchstaben »Alek« erscheint als erster Suchtreffer Aleksander Čeferin. Diese neue Popularität verdankt der 48-jährige Slowene einem wundersamen Aufstieg: Auf dem Außerordentlichen Kongress des europäisches Fußballverbandes UEFA wählten ihn 42 der insgesamt 55 Mitgliedsverbände zum neuen Präsidenten.
Stärkster Mann im zweitmächtigsten Fußballverband der Welt wird man nicht, indem man, wie Čeferin in seinem Programm, verspricht, »ihn zur besten Sportorganisation der Welt« machen zu wollen. Voraussetzung war bislang meist eine lange Funktionärskarriere - inklusive belastbarer Seilschaften. Erfahrungen auf höchster Ebene kann Čeferin nicht vorweisen, erst seit 2011 ist er Präsident des slowenischen Fußballverbandes.
Beim Aufstieg im eigenen Land haben beste Verbindungen sicherlich nicht geschadet. Aleksander Čeferin entstammt einer reichen und einflussreichen Juristenfamilie aus Ljubljana. Sein Großvater war Juraprofessor, sein Vater ist noch immer einer der renommiertesten Anwälte Sloweniens. Als Aleksander 1991 sein Jurastudium beendet hatte, stieg er in die Familienkanzlei ein; mittlerweile führt er sie und ist mit drei Töchtern selbst Familienvater. Den ersten Kontakt zur Sportpolitik bekam er als Anwalt, indem er Sportler, Verbände und Vereine vertrat.
Aleksander Čeferin tritt selbstbewusst auf. Er ist sich seiner sicher. Kommunizieren kann er in fünf Sprachen fließend: Slowenisch, Englisch, Italienisch, Serbisch und Kroatisch. Verteidigen kann er nicht nur juristisch: Er trägt im Karate den schwarzen Gürtel. Zudem spielt der drahtige Čeferin Fußball und Basketball. Auch am Mittwoch blieb er cool. Nur ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, als sein Sieg über den einzigen Mitbewerber Michael van Praag offiziell verkündet wurde. Seiner Inthronisierung war er schon vorher sicher, zu viele nationale Verbände hatten sich im Vorfeld öffentlich gegen den Niederländer entschieden.
»Man wollte den Wandel und ein neues Gesicht«, erklärte der Slowene seine Wahl mit überwältigender Mehrheit. Der bis dato kaum bekannte Čeferin löst den von der Ethikkommission des Weltverbandes FIFA wegen Vorteilsnahme in Millionenhöhe verurteilten Michel Platini ab. Ob das neue Gesicht aber tatsächlich einen Wandel bringt, darf bezweifelt werden. Mit zwielichtigen Geschäften kennt sich Čeferin nämlich bestens aus: Als Anwalt vertrat er potente Oligarchen und korrupte Politiker.
Als Sportpolitiker gilt der neue UEFA-Präsident als unbelastet. In der Funktionärswelt unauflösbare Widersprüche kommen ihm emotionslos über die Lippen: »Ich bin ein unabhängiger Kandidat«, sagte er vor der Wahl in Athen. Čeferin reizt eben gerne Grenzen aus, er ist ein Draufgänger. Fünf Mal hat er schon die Sahara erkundet - vier Mal mit dem Auto, ein Mal auf einem Motorrad.
Abenteuerlich klingt auch seine Version von der Geschichte, wie es überhaupt zu seiner Kandidatur gekommen ist. »Es war meine Entscheidung. Ich habe dann festgestellt, dass ich große Unterstützung habe.« Erste Medienberichte über Čeferins Absichten gab es im Mai. Öffentlich machte er seine Kandidatur am 8. Juni - nach einem Treffen von 14 UEFA-Mitgliedsverbänden in Moskau. Aber schon am 3. Juni hatten sich die nationalen Fußballverbände aus Schweden, Norwegen, Dänemark und Finnland darauf verständigt, Čeferin zu unterstützen. Ob seine Wahlversprechen wirklich nur Gerüchte sind, wird sich bald zeigen. Dem schwedischen Verbandschef Karl-Erik Nilsson soll er einen Sitz im UEFA-Vorstand zugesichert haben, den vier nordischen Verbänden die Ausrichtung der Europameisterschaft 2024 oder 2028.
Die guten Beziehungen in den Norden stellte ein Norweger her. Kjetil Siem betrieb nach eigener Auskunft mehr als zwei Jahre »Lobbyarbeit für Čeferin«. Warum? »Um Kandidaten zu finden, die Positionen im internationalen Fußball besetzen.« Dies tat Siem als Generalsekretär des norwegischen Verbandes in Absprache mit seinem damaligen Präsidenten Yngve Hallén. Siems jetziger Präsident heißt seit kurzem Gianni Infantino - als Strategieberater des neuen FIFA-Chefs wechselte er nach Zürich.
Strategisch ist es ja durchaus sinnvoll, wenn die beiden mächtigsten Verbände von Personen geführt werden, die sich auf gemeinsame Ziele einigen können. Dass damit nicht der Kampf gegen Korruption gemeint ist, verdeutlichte Witali Mutko. »Er ist einer von jenen, die einen Keil in den Weltfußball getrieben. Das hat nicht unseren Zuspruch«, urteilte der russische Sportminister über Čeferins Konkurrenten Michael van Praag. Der Niederländer hatte wohl etwas zu oft nach Transparenz verlangt. Direkt nach dem Treffen am 8. Juni in Moskau verkündete Russland, den Slowenen unterstützen zu wollen.
Infantino und Mutko wollen eine reibungslose WM 2018 in Russland. Čeferin wird vermutlich keinen Keil zwischen beide treiben. Und was will der neue UEFA-Präsident? Transparenz, Kontrollinstanzen, Amtszeitbegrenzungen und noch mehr schöne Worte stehen in seinem Programm. Wie und wann? Das konnte Aleksander Čeferin noch nicht erklären.
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