Der Journalist
PERSONALIE
»Ich bin kein Journalist«, sagt der italienische Autor Roberto Saviano. Das ist natürlich Tiefstapelei - und Schutz vor Mafia-Kampagnen, die ihm Verletzungen der Sorgfaltspflicht anheften wollen, weshalb der 37-Jährige seine »dokumentarischen Studien« zur italienischen Kaste der Wirtschaftsgangster mittlerweile als Romane bezeichnet - unter anderem seinen Welterfolg »Gomorrha« über das Regiment aus Korruption und Terror, das die Mafia-Gruppierung Camorra in Kampanien entfaltet.
»Gomorrha« hat Saviano zwei Dinge gelehrt: »Die Menschheit ist sehr viel schlechter, als ich dachte. Und über die Mafia zu reden, ruiniert dein Leben.« Das Leben des in Neapel Geborenen wurde durch sein Buch so gründlich ruiniert, dass er zweifelt, »ob er den Roman noch einmal verfassen würde«. Schließlich muss er versteckt und bewacht an wechselnden Orten leben, hält nur noch den Kontakt zu seiner Familie aufrecht.
Dennoch schreibt er unverzagt weiter - etwa darüber, dass die Kokain-Gewinne nicht nur individuellen Gangster-Luxus finanzieren, sondern eine wichtige Säule der Kapitalmärkte sind und Politik weltweit korrumpieren. Das oft auf Banden von Straßengangstern und Schutzgelderpressern reduzierte und damit grob verniedlichte Börsen- und Wirtschafts-Phänomen »Mafia« übersetzt Saviano so: Turbokapitalismus ohne jede moralische Schranke.
Ob Saviano sich also selber als Journalist sieht oder nicht: Den »Preis der europäischen Presse« des hochkarätigen Medientreffens M100 in Potsdam, der ihm gerade von Angela Merkel verliehen wurde, haben Wenige so verdient wie er. Etwas überrascht konnte man allenfalls über seine dortigen Äußerungen sein - etwa, dass die deutsche Flüchtlingspolitik beweise, dass es »auch ein Europa des Herzens« gebe, nicht nur eines »des Geldes«. Das klingt in unserem ziemlich geldfixierten Land, das zudem eines der größten Blockierer einer modernen Drogenpolitik ist, und das seine anfängliche »Willkommenskultur« längst gegen Abschottung getauscht hat, dann doch etwas naiv.
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