Polizeieinsatz gegen Streikende
Streit um Sozialtarifvertrag bei LED-Hersteller Zumtobel spitzt sich zu
Zwei Wochen nach Beginn eines Streiks für einen Sozialtarifvertrag spitzt sich der Konflikt zwischen den in der IG Metall organisierten Beschäftigten und dem Leuchtenwerk des Zumtobel-Konzerns in Usingen (Hessen) weiter zu.
So kehrten am späten Mittwochabend rund 100 Zumtobel-Arbeiter von einem Abstecher in das österreichische Bundesland Vorarlberg nach Usingen zurück. Vor der Konzernzentrale in Dornbirn hatten sie tagsüber gegen die Schließung protestiert. Vor Ort solidarisierten sich Funktionäre der österreichischen Gewerkschaft PRO-GE mit den Usingern. Erschienen waren auch Vertreter der Sozialistischen Jugend (SJÖ) und der österreichischen Zeitung »der funke«, die Solidaritätsflugblätter verteilten. »Geknechtet für Profite, geopfert für Rendite. Solidarität mit dem Streik in Usingen«, stand auf einem Banner.
Unbeeindruckt von den Protesten beharrt die Zumtobel-Geschäftsleitung auf dem Stilllegungsbeschluss. Michael Erhardt, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Frankfurt am Main, nannte »nicht nachvollziehbar«, dass der Konzern nach erfolgreichen Verhandlungen einen Verkauf des Usinger Werks an den Vorarlberger Unternehmer Thomas Lorünser plötzlich ausgebremst habe. Dabei habe sich das Fortführungskonzept als »schlüssig und wirtschaftlich sinnvoll« erwiesen. Viele argwöhnen, dass Zumtobel der Usinger Belegschaft nie eine Chance geben wollte. Mit dem Streik für einen Sozialtarifvertrag wollen sie die Kosten der Schließung in die Höhe treiben. Viele Ältere unter den 145 Beschäftigten befürchten, dass sie in der ländlichen Taunusregion keinen gleichwertigen Arbeitsplatz finden und in Hartz IV landen könnten. Die IG Metall kritisiert, dass Zumtobel nach Streikbeginn eine Abriegelung des Werks und faktische Aussperrung verhängt hat. Dies ist die erste Aussperrung seit der Streikbewegung von Metallern und Druckern für die 35-Stunden-Woche im Frühjahr 1984. In Hessen ist die Aussperrung nach Artikel 29 der Landesverfassung rechtswidrig.
Dass die Mehrheit der Belegschaft nach Dornbirn reiste und weniger Streikende als sonst am Tor in Usingen standen, nutzte das Management am Mittwoch aus. Am Vormittag fuhr ein Lkw-Konvoi in Begleitung starker Polizeikräfte vor und begehrte Einlass. Seit Streikbeginn bewachen Streikposten Tag und Nacht die Zugänge. Sie befürchten, eine Demontage der Produktionsanlagen könnte ihre Verhandlungsposition schwächen. Die Werksleitung pochte auf ihr Hausrecht und drohte mit Räumung. »Der Polizeieinsatz hat uns aufgerüttelt«, berichtet ein Streikender gegenüber »nd«. »Obwohl wir nicht gewaltbereit waren, erschienen für jeden von uns mindestens zwei Polizisten im Kampfanzug mit Schildern und Knüppeln. Mit Kameras wurde alles gefilmt. Das war völlig überzogen und eine Verschwendung von Steuergeldern.« Die Polizeikräfte hätten sich »voll arbeitgeberortientiert« verhalten und wie in geheimer Mission alles mit der Geschäftsleitung besprochen. »Wir sind uns wie Kriminelle vorgekommen, manche hatten richtig Angst«, so der Arbeiter. Nach über drei Stunden gaben die Streikenden nach und machten eine Gasse für die Lkw frei. Man habe nur fertige und halbfertige Erzeugnisse, keine Maschinen oder Betriebsanlagen abtransportiert, so die Geschäftsleitung in einer eidesstattlichen Versicherung. Der Polizeieinsatz soll im Wiesbadener Landtag auf Antrag der Linksfraktion ein parlamentarisches Nachspiel haben.
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