Schweizer stimmen für Machtzuwachs des Geheimdienstes
Ergebnis: 65 Prozent der Bürger unterstützten Regierungsvorhaben / Amnesty International: »unverhältnismäßige Überwachung« gefährde Privatsphäre und Meinungsfreiheit
Die Schweizer haben mit großer Mehrheit für die Ausweitung der Kompetenzen des Geheimdienstes bei der Überwachung der Bürger gestimmt. Laut den offiziellen Endergebnissen stimmten am Sonntag 65,5 Prozent der Teilnehmer dafür, dem Nachrichtendienst mehr Befugnisse zu geben. Er soll künftig im Kampf gegen den Terrorismus Telefongespräche abhören, Privaträume durchsuchen und Computer ausforschen dürfen.
Das Referendum war von einem Bündnis aus Sozialisten, Grünen und der Piratenpartei initiiert worden, die eine flächendeckende Überwachung der Telefon- und Internetkommunikation fürchteten, wie sie der frühere Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden in den USA aufgedeckt hatte. Sie erinnerten auch an Enthüllungen 1989, wonach 900.000 Schweizer wegen ihrer politischen Meinung von der Polizei überwacht wurden.
Die Regierung argumentierte dagegen, dass die bisherigen begrenzten Befugnisse des Geheimdiensts angesichts der Bedrohung durch Terroristen nicht mehr ausreichten. Umfragen hatten im Vorfeld vorausgesagt, dass eine Mehrheit von 53 bis 58 Prozent das auch vom Parlament unterstützte Vorhaben billigen werde. Die Ergebnisse zeigten nun eine noch deutlich größere Unterstützung.
Die Regierung hatte versichert, dass gemäß der aktuellen Bedrohungslage pro Jahr nur ein Dutzend Fälle vom neuen Gesetz betroffen sein würden. Sie unterstrich zudem, dass die Überwachungsmaßnahmen jeweils vom Bundesverwaltungsgericht und dem Verteidigungsministerium genehmigt werden müssten und damit eine flächendeckende Überwachung wie in den 80er Jahren ausgeschlossen sei.
Amnesty International kritisierte nach dem Referendum, die Zulassung »unverhältnismäßiger Überwachung« gefährde die Privatsphäre und die Meinungsfreiheit. Die Vize-Präsidentin der Jungsozialisten, Muriel Wager, rief die Regierung auf, ihre Versprechen zu halten. Die Grünen-Abgeordnete Lisa Mazzone bedauerte, dass die Regierung mit ihren »einfachen Botschaften« die Wähler überzeugt habe.
Die Schweizer waren am Sonntag auch aufgerufen, über zwei weitere Initiativen abzustimmen, die auf eine Reduzierung des Ressourcenverbrauchs sowie auf eine Erhöhung der Renten um zehn Prozent zielten. Die Bürger lehnten die Rentenerhöhung mit 59,4 Prozent ab, während die Umweltinitiative von 63,6 Prozent zurückgewiesen wurde. Die Wahlbeteiligung lag bei 43 Prozent - ein üblicher Wert für Referenden in der Schweiz. AFP/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.