Smart everything
Smarte Worte 9: Praktisch alle Gegenstände können mit Sensoren ausgestattet, untereinander vernetzt und an das Internet angeschlossen werden. Das bringt viele Daten hervor. Und einige Probleme
Mit sanfter Musik beginnt das smarte Radio seine Besitzerin am Ende einer Tiefschlafphase zu wecken. Langsam fährt es die Beleuchtung hoch, aktiviert die Kaffeemaschine und die Heizung im Bad und schaltet dann auf die 7-Uhr-Nachrichten um. 20 Minuten später gibt der intelligente Kühlschrank passend zur Auswertung des Fitness-Armbands eine leckere Frühstücksempfehlung, informiert über die Aufgaben des Tages und erinnert dann rechtzeitig daran zur Car-sharing-Gruppe aufzubrechen, natürlich nicht ohne den Hinweis einen Regenschirm mitzunehmen, später ist Regen vorhergesagt. Die Haustür verriegelt sich und ab jetzt würde das smart home seiner Bewohnerin augenblicklich eine Nachricht schicken, sollte sich etwas in der Wohnung bewegen oder die Luftfeuchtigkeit steigen, die eigene, regennasse Katze ausgenommen.
»Home smart home«, »smart-up your life« oder »make everything smart« lauten die Slogans diverser Anbieter, die eine komfortable, vernetzte Welt versprechen. Vom smarten Strom-Wasser-Gas-Zähler, zur smarten Stadt (smart city) mit smarter Verwaltung (eGovernment) bis zur smarten Waffe (Drohnenkrieg) gibt es alles. Quasi alle Gegenstände können mit Sensoren ausgestattet, untereinander vernetzt und an das Internet angeschlossen werden (siehe auch: Big Data). Das »Internet der Dinge« soll Prozesse effektiver machen, umweltfreundlicher, inklusiver und leichter bedienbar. Die Kommunikation zwischen BürgerInnen und der Stadt oder Dienstleistern soll transparenter und partizipativer werden. Dafür sammeln Kameras, ausgestattet mit Bilderkennungssoftware, und viele unterschiedliche Sensoren Daten, die häufig in der Cloud gespeichert und (später) kombiniert werden. Diese Sensoren, z.B. sogenannte RFID-Transponder, sind mittlerweile so klein und hauchdünn, dass sie in den Personalausweis und in Textilien eingearbeitet oder Haustieren geimpft werden können und eine berührungslose Identifikation ermöglichen.
Besonders viele Daten liefern Smartphones. Mit ihren Bewegungsmustern kann man einen Verkehrsstau erkennen oder KonsumentInnenverhalten im Einkaufszentrum analysieren. Auch im Gesundheitsbereich sind viele Innovationen greifbar. DiabetikerInnen könnten sich entscheiden, den Komfort einer smarten Insulinpumpe zu nutzen und damit auch die Forschung zu unterstützen, sofern sichergestellt ist, dass die Daten anonymisiert sind und vor Diebstahl oder Weitergabe geschützt. In Zukunft ist es aber auch denkbar, Tarife für Krankenkassen, Dienstleistungen oder Strom zu haben, die für jene KundInnen günstiger sind, die einer Aufzeichnung und Auswertung ihres Verhaltens zustimmen. Wer wenig finanzielle Ressourcen hat, wird dann die Datenschutzvariante nicht mehr bezahlen können.
Von smarten Geräten gesammelte Daten müssen jedoch nicht zwangsläufig als Problem betrachtet werden. Insgesamt wird sich die Gesellschaft der Herausforderung stellen müssen, eine neue Souveränität von KonsumentInnen und BürgerInnen zu entwickeln. Jede und jeder sollte die Wahl haben unter fairen Bedingungen selbst zu entscheiden, ob und wenn ja, welche Daten sie wem, zu welchem Zweck zur Verfügung stellen, dabei darf keine zwei-Klassen-Gesellschaft entstehen, in der sich nur die Einkommensstärkeren Datenschutz leisten können. Transparenz ist in jedem Fall entscheidend, denn wer würde im analogen Leben einen Fremden mit Notizblock in seine Wohnung lassen, damit dieser jeden Atemzug, jede Handlung, jede Regung notiert? (md)
Zum Weiterlesen
Smart City: eine Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Smart home, dumb people? Wenn die Technik die Privatsphäre erodiert (eine Breitband-Sendung)
Wired: Now You Can Hide Your Smart Home on the Darknet
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