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»Alles Unsinn, alles gelogen, alles so lächerlich ...«
Stefan Aust berichtet über die vergeblichen Warnungen des Journalisten Konrad Heiden vor der Demagogie Hitlers
»Er war Journalist und hatte nur ein Thema: Adolf Hitler«, schreibt Stefan Aust. Und der Leser freut sich: Endlich wird Konrad Heiden gewürdigt. Seit den Münchener Anfängen der Nazis schrieb er über diese in der liberalen »Frankfurter Zeitung«. Ende 1932 verfasste er ein Buch über die Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland und 1936, schon im Exil in den USA, die erste Biografie über Adolf Hitler. Sie wurde vor einigen Jahren neu aufgelegt worden.
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* Stefan Aust: Hitlers erster Feind. Der Kampf des Konrad Heiden. Rowohlt. 384 S., geb., 22,95 €.
Heiden hat Hitlers mörderische Demagogie und rhetorische Durchtriebenheit durchschaut, doch die Zeitgenossen erhörten seine Warnungen nicht. In einem sozialdemokratischen Milieu aufgewachsen und mit einer jüdischen Mutter, eine geborene Deutschmann, die engen Kontakt zu feministischen Kreisen hatte und mit der Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin Henriette Fürth befreundet war, wurde der junge Heiden früh gegen die Nazis sensibilisiert. Hitler wurde sein Feind Nr. 1, wie umgekehrt der Publizist Heiden für Hitler.
Stefan Aust war von der Lektüre der Hitler-Biografie Heidens derart beeindruckt, dass er in mehr als fünfjähriger Arbeit dessen Leben - so gut es ging - rekonstruierte. Entstanden ist ein Meisterwerk empathischer Biografie. Aust lässt Heiden oft selbst zu Wort kommen. Er verbindet die O-Töne aus den 1920er und 1930er Jahren mit eigenen Erläuterungen und Kommentaren. Dadurch kann man die sarkastische, warnende Intonation des Originals nachempfinden und erhält zugleich historisches Hintergrundwissen zum Verständnis des Aufstiegs und der verführerischen Faszination Hitlers auf das deutsche Volk - teils mehr als in mancher geschichtswissenschaftlichen Veröffentlichung. Der jahrelange Chefredakteur des Nachrichtenmagazins »Spiegel«, Produzent zahlreicher Filme zum Nationalsozialismus, Leiter des Nachrichtensenders N24 und Herausgeber der Zeitung »Die Welt« ist geradezu prädestiniert gewesen, diese Biografie zu schreiben. Gleichwohl versteht er es, sich selbst zurückzunehmen, sich gänzlich nur in den Dienst seines Protagonisten zu stellen, der dereinst wie ein Orakel voraussagte, was Hitler zu tun beabsichtige. Diese Ahnung und Gewissheit bezog Heiden aus Quellen, die jedermann zugänglich waren. Selbst die industriellen Methoden der Judenvernichtung nahm Heiden lange vor der »Endlösung« visionär vorweg: »Die Nazis werden durch einen Druck auf den Knopf die Juden mit Gas ermorden«, schrieb er, als die Welt in Berlin bei den Olympischen Spielen zu Gast war.
An anderer Stelle lesen wir von Konrad Heiden: »Ich habe Hitler in den Jahren seines Aufstiegs viele Dutzend Male aus nächster Nähe zugehört, ihn auch gelegentlich im privaten Zirkel aus geringer Entfernung beobachten können. Aber wenn dabei für mein damaliges Gefühl etwas Faszinierendes war, so war es das Publikum. Die Reden selbst: Alles Unsinn, alles gelogen, und zwar dumm gelogen, alles so lächerlich, dass jeder, so meinte ich, das doch sofort einsehen müsse. Stattdessen saßen die Zuhörer wie gebannt, und manchem stand eine Seligkeit auf dem Gesicht geschrieben, die mit dem Inhalt der Rede nichts mehr zu tun hatte, sondern das tiefe Wohlbehagen einer durch und durch umgewühlten und geschüttelten Seele widerspiegelte. Mein jugendliches Urteil über Hitler hat das nicht erschüttert; wohl aber begann ich, bestürzt, etwas über Menschen zu lernen.«
Die Biografie des Journalisten Aust über seinen 1901 geborenen und 1966 in New York verstorbenen Kollegen ersetzt viele Hitler-Biografien und ist angesichts grassierenden Rechtspopulismus von aktueller Bedeutung.
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