Urbaner Rohstoff für den Acker

Klärwerk im Hamburger Hafen testet in einer Pilotanlage das Phosphat-Recycling aus Abwässern

  • Dierk Jensen
  • Lesedauer: 3 Min.

Ohne Phosphor wächst keine Pflanze. Ebenso unentbehrlich ist das Element für sämtliche Tiere. Die natürlichen Phosphor-Vorräte sind begrenzt, zudem enthalten etliche Phosphatvorkommen unerwünschte Verunreinigungen wie die giftigen Schwermetalle Cadmium oder Uran. Deshalb richtet sich der Blick mehr und mehr auf Recyclingsysteme. In Hamburg wird aktuell ein weltweit einmaliges Verfahren getestet, das für die Düngemittelindustrie wie auch für die Landwirtschaft interessante Perspektiven aufweist.

»Endlich, aber nicht knapp.« Dietrich Pradt, Geschäftsführer für den Bereich Pflanzenernährung im Industrieverband Agrar (IVA), hält wenig davon, einen globalen Rohstoffengpass für den begrenzt vorhandenen Dünger Phosphat heraufzubeschwören. »In den letzten Jahren sind neue Fundstätten in Nordafrika gefunden wurden. Aktuell geht man davon aus, dass die Weltvorräte noch etwa 400 Jahre reichen werden«, gibt IVA-Fachmann Pradt Entwarnung.

Phosphor

Ohne Phosphor kein Leben. Jeder biologische Organismus braucht Phosphor. Unverzichtbar ist die Verbindung Adenosintriphosphat beim Energiestoffwechsel. In der Trockenmasse von Landpflanzen sind ca. 0,2 Prozent Phosphor enthalten, in Säugetieren liegt der Anteil bei vier Prozent. Die Phosphatverfügbarkeit wirkt für Pflanzen vielfach als limitierender Wachstumsfaktor, weswegen in der Landwirtschaft große Mengen phosphathaltiger Dünger verwendet werden. Des Weiteren hat Phosphor Einfluss auf den Kohlenhydrathaushalt, die Fotosynthese und den Wasserhaushalt von Pflanzen.

Um den im Boden vorkommenden Phosphor für den Stoffwechsel verfügbar zu machen, müssen Pflanzen organisch oder anorganisch gebundenen Phosphor freisetzen, den sie als H2PO4− aufnehmen können. Dasselbe gilt für Mikroorganismen und Pilze, die im Boden leben. D.J.

Dennoch: Obgleich in absehbarer Zeit sicherlich noch kein Mangel an Phosphatdünger droht, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass gegenwärtig große Mengen der endlichen Ressource vergeudet werden. Insbesondere in Städten, wo die Abwässer zentral gesammelt und geklärt werden. Denn am Ende wird der phosphatreiche Klärschlamm doch nur verbrannt und die Asche kommt auf Deponien. Ein stoffliches Dilemma, dass seit vielen Jahren kritisiert wird. Tatsächlich wird eine kommende Novelle der Klärschlammverordnung nur noch denjenigen Entsorgern eine Genehmigung zur Verbrennung erteilen, die 80 Prozent des im Klärschlämm enthaltenen Phosphors zurückgewinnen.

Für solche Bestrebungen weckt ein Projekt mitten im Hamburger Hafen neue Hoffnungen. Es befindet sich neben den mächtigen Faultürmen des Klärwerks Köhlbrandhöft, die im Spätsommer-Licht silbrig um die Wette glitzern. »150 000 Tonnen Klärschlamm mit einer Trockensubstanz von 43 Prozent fallen jährlich an diesem Standort an«, beziffert Daniel Hambarsomian, Mitarbeiter von Hamburg Wasser, die Menge, die hier zu bewältigen ist.

»Diesen Klärschlamm verbrennen wir im Wirbelschicht-Ofen und erhalten am Ende rund 20 000 Tonnen Asche, die wir bisher in einer Spezialdeponie in Bremen lagern.« Das ändert sich schon bald. Wir besichtigen auf dem weitläufigen Gelände eine kleine Halle, in der eine Recycling-Testanlage für Phosphate untergebracht ist. »Hier wird«, titelte daraufhin eine Hamburger Boulevardzeitung, »unser Schiet zu Gold.« Tatsächlich entzieht die vom Entsorgungskonzern Remondis entwickelte Anlage der Klärschlammasche rund 80 Prozent der enthaltenen Phosphate. »Wir wandeln die schwer verfügbaren Phosphate durch Hinzufügen von Säuren in Phosphorsäure um, so dass die Düngerindustrie ein Produkt erhält, das sie ohne großen Aufwand verwerten kann«, erklärt Projektingenieur Andreas Rak zum weltweit bisher einmaligen Verfahren, das in diesem Jahr den renommierten GreenTec Award im Bereich Recycling gewann.

»Die Testphase wird Ende des Jahres abgeschlossen sein«, blickt Ole Braukmann, Pressesprecher von Hamburg Wasser, optimistisch in die Zukunft. Bis dahin lägen ausreichend Erkenntnisse vor, so dass man dann in die Projektierung einer Großanlage einsteigen könne. Über die vermutliche Höhe der Investitionen wollte sich Braukmann allerdings noch nichts äußern. Relativ sicher ist nur, dass die Pilotanlage in Hamburg jährlich rund 2000 Tonnen Phosphor aus der Asche lösen soll, der für die Herstellung von rund 6000 Tonnen Phosphorsäure reicht. »Wir werden mit unserem Ansatz sicherlich nicht den Phosphat-Abbau in Marokko oder sonst wo ersetzen«, warnt Rak indessen vor falschen Hoffnungen. Doch sei diese Recycling-Methode langfristig betrachtet, so versichert der Ingenieur, »für die Bürger gebührenneutral und am Markt wettbewerbsfähig«.

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