Musikhauptstadt Wien

Das Mandelring-Quartett startete in der Philharmonie seinen neuen Berlin-Zyklus

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass die drei Geschwister sind, erkennt man auf den ersten Blick - die körpersprachliche Übereinstimmung beim Musizieren ist frappierend. Der Bratscher Andreas Willwohl hingegen, das »Nicht-Familienmitglied« im Ensemble, sitzt steifer da - was aber die vielfach gelobte Homogenität des Mandelring Quartetts nicht beeinträchtigt.

Benannt haben die drei Schmidt-Geschwister ihr Ensemble nach der Straße des Elternhauses, dem Mandelring, der sich in Neustadt an der Weinstraße am Rand des Pfälzerwaldes durch die Weinterrassen schlängelt. Sie wuchsen dort in einem alten Weingut auf, wo sich bis heute ihr Probenraum befindet.

Regelmäßig verlassen die Musiker die Kleinstadt-Idylle, um in den verschiedensten Ecken Europas aufzutreten. Dreimal jährlich steht auch die Berliner Philharmonie im Kalender, deren Kammermusiksaal für die Anziehungskraft von Kammermusik eigentlich zu groß bemessen ist.

Doch die Musiker sehen den Kampf um die Gunst des Berliner Publikums sportlich. »Die Ränge füllen sich von Jahr zu Jahr mehr«, meint der Cellist Bernhard Schmidt. »Und es ist doch schön, dass niemand an der Abendkasse abgewiesen werden muss.«

Der sympathische Zug, die Bedürfnisse des Publikums ernst zu nehmen, hat auch dazu geführt, dass nun Franz Schubert im Mittelpunkt des neuen Berlin-Zyklus steht. »Wir wurden immer wieder gebeten, Schuberts großartiges Streichquintett aufführen, was natürlich einen zusätzlichen Cellisten erfordert«, erzählt Bernhard Schmidt. »Aus diesem Anlass haben wir uns überlegt, Schubert gleich ganz ins Zentrum zu rücken.«

Am vergangenen Sonntag begann der Zyklus mit Schuberts berühmtem »Rosamunde«-Quartett. Die beeindruckende Mandelring-Homogenität ist von der ersten Note an da. Doch es fehlt Schuberts lang gesponnenen Erzählfäden und Klangflächen zuweilen an Gesanglichkeit und Spannkraft. Im Finale treiben dann die reitenden Rhythmen die Sache voran. Die Musiker gehen ihre Interpretationen nicht in erster Linie analytisch an; vielmehr spitzen sie die Klangereignisse temperamentvoll zu. Das wird Schubert weniger gerecht als Beethoven, dessen mittleres Rasumowsky-Quartett nach der Pause mitreißend dargeboten wird. Die markanten, zerrissenen Gesten des Kopfsatzes reißen den Hörer sogleich in die Musik hinein. Dann verschränken sich grimmige Rhythmen ineinander; Motivfetzen stoßen zusammen. Im Scherzo intensiviert das Mandelring Quartett den Kontrast zwischen dem schlichten russischen Volkslied-Thema und dessen Ausbau zu einer komplex verästelten Fuge. Wie Zauberei mutet es am Ende an, dass die Musiker binnen Sekunden nach Beethovens entfesseltem Finale in eine gänzlich andere Klangwelt umschalten. Als Zugabe erklingt der verwunschene zweite Satz des Ravel-Quartetts.

Der Abend stand unter dem Titel »Musikhauptstadt Wien«, der allerdings auch für das nächste Konzert gelten könnte: Am 22. Februar gibt es ein Kontrast-Programm mit Schuberts eindringlichem letzten Quartett und Alban Bergs anspielungsreicher »Lyrischer Suite«. Der Publikumsliebling, Schuberts Streichquintett, erklingt schließlich zum Saisonabschluss am 18. Mai. Der Gast-Cellist ist Jens-Peter Maintz.

www.mandelring.com

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