Katheter hilft auch im Gehirn

Thrombektomie eröffnet bessere Chancen für Patienten nach einem Schlaganfall

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei einem Schlaganfall oder Hirnschlag werden Areale im Gehirn nicht mehr durchblutet - entweder durch verstopfte oder reißende Blutgefäße. Die erste Variante tritt häufiger auf.

Wird das Ereignis schnell bemerkt, kann der Thrombus medikamentös aufgelöst werden. Das funktioniert allerdings nur bis zu einer bestimmten Größe. Diese Thrombolyse ist nur in den ersten viereinhalb Stunden nach dem Schlaganfall möglich, danach führt die mangelnde Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen über das Blut zum Absterben des Gehirngewebes. Die Folgen sind dramatisch, sie reichen von halbseitiger Lähmung über Sprech- und Sehstörungen bis zu Gleichgewichtsproblemen und Verwirrtheit. Etwa die Hälfte der Patienten bleibt auch ein Jahr nach dem Ereignis dauerhaft behindert. 20 Prozent sterben innerhalb von vier Wochen, über 37 Prozent innerhalb eines Jahres. Der Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland.

Die Thrombolyse kommt für nur etwa 15 Prozent der Patienten in Frage. Seit einigen Jahren wird für größere Blutgerinnsel mit zunehmender Sicherheit zusätzlich eine weitere Therapie angewandt. Über die Leiste wird ein Mikrokatheter in eine Schlagader eingeführt und bis zum betroffenen Hirnareal geschoben. Der Katheter durchbohrt den Blutpfropfen. Ein Stent wird entfaltet, umschließt den Pfropfen wie ein Käfig und kann zurückgezogen werden. Für die Thrombektomie gibt es ein Zeitfenster von sechs Stunden. Das kann zur logistischen Herausforderung werden, wenn die Erstbehandlung mit einer Thrombolyse an einer Klinik erfolgt, in der diese Therapie noch nicht möglich ist. Bisher verfügen erst 140 Kliniken über diese Technik.

Identifiziert werden die geeigneten Fälle durch eine Computertomographie (CT), häufig durch ein Kontrastmittel erweitert zur Angiographie. Diese Darstellung der Gefäße dauert nur zwei bis drei Minuten länger als das übliche CT. Unter Umständen muss der Patient im Anschluss noch einmal verlegt werden. Dann ist höchste Dringlichkeit angesagt, damit die Folgen des Schlaganfalls möglichst gering gehalten werden. Geeignete Kliniken sind so über die Bundesrepublik verteilt, dass sie in der Regel innerhalb einer Stunde erreicht werden können. Momentan verfügen 430 neuroradiologische Fachärzte über eine entsprechende Zertifizierung für die Thrombektomie. Nach einer neueren Studie müssen mit einer Thrombektomie vier bis fünf Patienten behandelt werden, um für einen von ihnen die Folgen des Schlaganfalls so deutlich zu mindern, dass er kein Pflegefall wird. Für Mediziner ist das ist ein sehr gutes Verhältnis. Zum Vergleich: Es müssen 250 Patienten mit Cholesterinsenkern behandelt werden, um einen Schlaganfall zu verhindern.

Deutschland ist weltweit führend bei der Schlaganfallversorgung. Im Verlauf der letzten 15 Jahre wurde ein Netz von sogenannten Stroke Units aufgebaut. Diese Krankenhausabteilungen haben sich auf den Hirnschlag (englisch: stroke) spezialisiert. Bisher wurden 291 Stroke Units von der Deutschen Schlaganfallgesellschaft zertifiziert, in denen 70 Prozent der Fälle behandelt werden. Hier arbeiten mindestens 1,5 Pflege-Vollkräfte pro Bett, außerdem Physio- und Ergotherapeuten sowie Logopäden. Diese Therapeuten stellen sicher, dass sofort mit der Rehabilitation begonnen werden kann.

Von jährlich 250 000 Schlaganfällen in Deutschland werden 80 Prozent durch ein verstopftes Blutgefäß verursacht, meistens in Folge von Herzrhythmusstörungen.

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