Solidarität gegen Union Busting
Die Behinderung von Betriebsräten ist eigentlich eine Straftat - verfolgt werden die Täter allerdings nicht
»Gefängnisstrafe für Geschäftsführungen und Vorstände« war auf einem Kärtchen an der Moderationspinnwand im Foyer zu lesen. Die Frage lautete: »Wie können Betriebsräte besser geschützt werden?« Dass es um diesen Schutz gegenwärtig nicht besonders gut bestellt ist, wurde bei der Betriebsrätekonferenz unter dem Motto »Union Busting stoppen - Gegenwehr stärken - Mitbestimmung ausweiten« deutlich. 270 Menschen, davon 230 Betriebs- und Personalräte, waren am Freitag auf Einladung der Bundestagsfraktion der LINKEN ins Lüders-Haus gekommen. Solche Austauschforen - traditionell SPD-Metier - werden seit einigen Jahren auch von der Linksfraktion im Bundestag und den Landtagsfraktionen angeboten. Viele kamen aus Branchen, die in den letzten Jahren gewerkschaftlich erschlossen und in denen Kämpfe geführt wurden, wie dem Einzelhandel oder den Krankenhäusern. Vom schwedischen Modehersteller H&M meldeten sich so viele Kollegen zu Wort, dass ein Teilnehmer scherzhaft rief: »Hat H&M denn heute geschlossen?«.
Saskia Stock, Gesamtbetriebsratsvorsitzende von H&M, war es dann auch, die den Aufschlag bei der »list of shame« machte. Sie berichtete von den vielen Tricks und Kniffen, mit denen Geschäftsführungen die Gründung neuer Betriebsräte verhindern und bestehenden die Arbeit schwer machen. Zum Beispiel mit Zuckerbrot: Mitarbeitern, die einen Betriebsrat gründen wollen, wird plötzlich die langersehnte Beförderung in Aussicht gestellt. Oder Peitsche: Kettenkündigungen, Einzelgespräche, Abmahnungen. Aus anderen Betrieben wurde von persönlichen Diffamierungen, Hausverboten oder Zwangsversetzungen berichtet.
Diese Zermürbungsmethoden werden immer öfter mit Plan und Unterstützung von Anwaltskanzleien angewandt, die sich auf Union Busting spezialisiert haben. Gemeint ist damit eine unternehmerische Strategie, die darauf abzielt, die Neugründung von Betriebsräten zu verhindern oder aber bestehende Betriebsräte zu zerstören. Eine ganze Dienstleistungssparte habe sich hier in den vergangenen Jahren entwickelt, erläuterte Werner Rügemer, der die Internetplattform arbeitsunrecht.de betreibt. Solche Kanzleien böten zum Beispiel Schulungen an, die Titel tragen wie: »In Zukunft ohne Betriebsrat.« Damit leisteten sie zwar Anstiftung zum Rechtsbruch, aber in Deutschland würde dies kaum verfolgt.
»Eine Straftat nach Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetztes ist die bei weitem am wenigsten verfolgte in Deutschland«, sagte Rügemer. In besagtem Paragrafen heißt es: »Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Wahl des Betriebsrats behindert (…) oder die Tätigkeit des Betriebsrats behindert oder stört.« Klaus Ernst, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Bundestag, griff das auf und fragte: »Kennt hier jemand einen, der deswegen im Gefängnis war? Uns fallen hunderte ein, die reinsollten, aber keiner, der drin ist.« Immer wieder kam die Forderung nach einer Gesetzesreform zum Schutz der betrieblichen Mitbestimmung auf. Rügemer schlug zudem vor, einen exemplarischen Fall einer solchen Behinderung von Betriebsratsarbeit vor Gericht zu bringen und öffentlich zu begleiten. Ernst versprach dafür spontan die Unterstützung der Linksfraktion.
Ohnehin gab es am Freitag viel praxisorientierten Dialog und wenig Fenstergerede. Wie es mit der Mitbestimmung in den Betrieben konkret aussieht, wollten anwesende Abgeordnete von den Betriebsräten wissen - und auch, was die Fraktion tun könne, um Betriebsräten oder Kollegen, die einen Betriebsrat gründen wollen, den Rücken zu stärken.
Am häufigsten gefordert wurde Öffentlichkeit und die Rückkehr zur Solidarität. Das sei »nicht nur eine moralische Kategorie, sondern eine Strategie um gemeinsame Interessen vertreten zu können«, sagte Thomas Berger, Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht. Praktiziert wurde die vielbeschworene Solidarität auch direkt vor Ort: Plakate für Beschäftigte beim Baumarkt Obi und dem Reha-Konzern Median wurden angefertigt. In beiden Unternehmen sind Kollegen aktuell mit Schikanen konfrontiert. Eine Fotoaktion forderte außerdem: »Schluss mit Union Busting am Botanischen Garten Berlin.« Dieser gehört zur Freien Universität Berlin. Niederwerfungsstrategien gegenüber Arbeitnehmervertretungen sind also keineswegs der Privatwirtschaft vorbehalten.
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