Bürgerinitiative wehrt sich gegen Turboabi

In Nordrhein-Westfalen soll per Volksbegehren Druck auf die Bildungspolitik des Landes aufgebaut werden

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Engagement für die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren begann in Nordrhein-Westfalen mit der Onlinepetition einer Schülerin im Jahr 2012. Mehr als 10 000 Unterschriften von Unterstützern legte man damals dem Petitionsausschuss des Düsseldorfer Landtags vor. Die Onlinepetition wurde aber faktisch ignoriert. 2014 startete dann die Initiative »G9 jetzt« eine Volksinitiative. 100 000 Unterschriften wurden dem Landtag vorgelegt. Auch daraus resultierten keine direkten Veränderungen in der Schulpolitik.

Jetzt soll es also ein Volksbegehren geben. 3000 Unterschriften wurden vorgelegt. Sie werden geprüft. Fällt die Prüfung positiv aus, werden bald in den Amtsstuben im ganzen Bundesland Unterschriftenlisten ausliegen. Acht Prozent der volljährigen, deutschen Bürger in NRW müssen dann innerhalb von 18 Wochen für das Volksbegehren unterschreiben. Das sind etwa eine Million Menschen. Ziel des Volksbegehrens ist es, einen eigenen Gesetzentwurf durchzusetzen. Im Gesetz der Initiative wird die jährliche Unterrichtszeit verringert, dafür gibt es das Abitur wieder nach 13 Jahren. Ob die Initiative Erfolg haben wird, bleibt ungewiss. Dann müsste sich der Landtag mit dem Thema befassen. Wenn der den Vorschlag der Bürger ablehnt, gäbe es einen landesweiten Volksentscheid zum Abitur.

In Nordrhein-Westfalen gab es bislang erst ein erfolgreiches Volksbegehren. Im Jahr 1978 ging es ebenfalls um die Schule. 3,6 Millionen Menschen unterschrieben gegen den gemeinsamen Unterricht in der 5. und der 6. Klasse.

Um die Frage nach G8 und G9 wird auch in den nordrhein-westfälischen Parteien heftig gestritten. LINKE und Piraten unterstützen die Initiative »G9 jetzt«. Die Linkspartei kritisiert den »Leistungsdruck« in den »Lernfabriken«. Die Piraten fordern die Rückkehr zum alten System ab dem kommenden Schuljahr. Zwischen CDU und FDP auf der einen und SPD und Grünen auf der anderen Seite gibt es erst mal einen anderen Streit. SPD und Grüne haben die G8 im Jahr 2004 beschlossen. Nun regieren sie seit einiger Zeit wieder in dem Bundesland. CDU und FDP hatten ab 2005 regiert und die verkürzte Schulzeit umgesetzt. Sie sitzen nun seit 2010 wieder in der Opposition. Uneingeschränkt für G8 ist allerdings keine Partei mehr. Das zeigte auch eine Debatte am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag. In einem sind sich die vier Parteien einig. Sie fordern mehr Flexibilität. Die SPD möchte den Schülern nach zehn Jahren ein freiwilliges Orientierungsjahr anbieten. Wer beispielsweise von der Realschule aufs Gymnasium wechselt, soll zur Orientierung verpflichtet werden. Normalfall soll aber das Abitur nach 12 Jahren sein.

CDU und FDP fordern, den Schulen zu überlassen, ob man bei ihnen in 12 oder 13 Jahren das Abitur ablegen kann. Kritiker werfen bei einem solchen Modell ein, dass es Konflikte in jede Schule trage. Die Grünen setzen beim einzelnen Schüler an. Die Schulen müssen sich nicht festlegen. Die Leistungen der Schüler bestimmen darüber, wie lange sie zur Schule gehen. Hier befürchten Kritiker ein totales Chaos. Die Parteien werden sich in den nächsten Wochen wohl nicht einigen können. Die Frage nach G8 und G9 wird zu den zentralen Wahlkampfthemen im Frühjahr gehören.

Fest steht jedenfalls, dass ein Großteil der Eltern und Lehrer gerne zum G9-Modell zurückehren würde. Die Initiative »G9 jetzt« hatte 54 000 Menschen befragt. 79 Prozent sprachen sich für G9 aus. Auch Umfragen der Landeselternschaften und eine Studie der Bertelsmann-Stiftung sehen deutliche Mehrheiten für eine Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren.

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