Andrej Holm: Profiliert, kundig und bestens vernetzt
Der linke Soziologe und Gentrifizierungsgegner wird neuer Wohnungsstaatssekretär
Ein profilierter und kundiger Kritiker der hauptstädtischen Wohnungspolitik soll sie nun lenken. Andrej Holm wird neben der Stadtbaudirektorin Regula Lüscher, die im Amt verbleiben kann, Staatssekretär im Bau und Wohnungsressort unter Senatorin Katrin Lompscher. »Das ist ein Coup«, freut sich die Stadtentwicklungsexpertin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Katalin Gennburg. »Es ist ein tolles Zeichen für die neue Prioritätensetzung im Senat.«
Seit vielen Jahren lehrt der Stadtsoziologe Holm an der Humboldt Universität (HU). In Interviews, auf Kongressen sowie auf den von ihm betriebenen »Gentrification Blog« kritisiert er seit langem Verdrängung und die Untätigkeit der Politik aus linker Perspektive.
Vor bald einem Jahrzehnt, im Sommer 2007 landete der 1970 in Leipzig geborene für einige Zeit in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft bezichtigte ihn der Mitgliedschaft in der »militanten gruppe«. Die hatte in Bekennerschreiben die gleichen Begriffe verwendet wie Holm in seiner wissenschaftlichen Arbeit – unter anderem »Gentrifizierung«. Nach mehreren Wochen wurde er freigelassen – eine Anklage wurde nie erhoben. Tausende Wissenschaftler aus aller Welt unterzeichneten davor einen Offenen Brief gegen die Inhaftierung.
»Liebe Studierende, liebe Kolleg*innen – vielen Dank für fast 20 tolle Jahre an der HumboldtUni«, mit dieser Nachricht auf dem Kurznachrichtendienst Twitter verabschiedete sich Holm am Mittwoch kurz vor Mitternacht vorerst von seiner wissenschaftlichen Laufbahn.
Seine Identifikation mit den Leidtragenden der Verdrängung ist groß. So plädierte er im Juni für Hausbesetzungen als »beste Wohnungspolitik« hinsichtlich der Herbeiführung eines günstigen Mietniveaus.
»Das war ja jetzt ein bisschen überraschend«, sagt Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins (BMV), zur Personalie. »Uns erfreut es natürlich, dass die Position mit jemandem besetzt wird, der ein sehr starkes Augenmerk darauf legt, wo die brennendsten Probleme sind.« Holms Engagement gilt vor allem den Wohnungsproblemen einkommensschwacher Menschen – die in der Hauptstadt über die Hälfte aller Mieter stellen.
Vor etwas über einem Monat moderierte Holm in Kreuzberg noch ein stadtpolitisches Hearing, bei dem über 40 Initiativen die jeweiligen Probleme und Lösungsmöglichkeiten darlegen. Politiker wurden eingeladen, »damit sie nicht hinterher sagen können, sie hätten von nichts gewusst«. Gekommen war neben Grünen-Wohnungsexpertin Katrin Schmidberger noch von der LINKEN Katalin Gennburg, Michael Efler sowie die jetzige Senatorin Katrin Lompscher. Dass ausgerechnet Andrej Holm, der jahrelang an der Seite der Initiativen kämpfte, künftig für eine neue Wohnungspolitik verantwortlich sein würde, ahnte zu der Zeit wohl niemand im Raum.
»Wir sind freudig überrascht und werden ihn in seiner Arbeit unterstützen«, sagt Rouzbeh Taheri vom Mietenvolksentscheid. »Er wird uns in unserer Arbeit fehlen«, schickt Taheri noch hinterher. Nach Jan Kuhnert, der inzwischen Vorstand bei der »Wohnraumversorgung Berlin« ist, die die landeseigenen Wohnungsunternehmen sozialer ausrichten soll, ist damit ein weiterer kundiger Berater der Initiative inzwischen selbst auf einem Senatsposten.
»Es gibt viel wegzutragen«, sagt Gennburg zu den großen Aufgaben, vor denen Holm steht. So ist zu hoffen, dass der in dieser Hinsicht unerfahrene den jahrelang SPD-dominierten Verwaltungsapparat schnell in den Griff bekommt. Daran ist einst mit Ephraim Gothe selbst ein Staatssekretär der SPD gescheitert. »Holm darf auch nicht dem Risiko einer Zweiteilung erliegen, also mit der eigenen Behörde anders als mit der Öffentlichkeit zu sprechen«, warnt ein wohnungspolitischer Akteur.
»Es ist toll, dass er die Verwaltung über die Forschung kennt«, gibt sich Gennburg in der Frage optimistischer. »Wir wissen, dass er einen harten Job angenommen hat«, so Taheri. Er verspricht bestmögliche Unterstützung durch den Mietenvolksentscheid. »Es ist natürlich nicht davon auszugehen, dass in fünf Jahren der Mietmarkt ausgeglichen sein wird«, sagt Reiner Wild vom Mieterverein. »Aber man kann bestimmte Akzente verschieben.«
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