Späte Diagnose, wenig Daten

Brustkrebs bei Männern: Nach der besten Behandlung wird noch gesucht

  • Ulrike Henning
  • Lesedauer: 5 Min.

Ein Knubbel neben der Brustwarze oder eine leichte Verdickung in der oberen Brust, keine Schmerzen. Die Abklärung dann mit einer Mammographie. Schon dabei hat der Patient das Gefühl, am falschen Ort zu sein - einem Ort, an dem Frauen erwartet werden. Dann die Diagnose. Brustkrebs. Bekannte und Angehörige reagieren mit Befremden: »Das gibt es bei Männern auch?«

So oder ähnlich erleben es einige Hundert Männer in Deutschland jedes Jahr. Die ersten Anzeichen gleichen denen, die auch viele Frauen feststellen müssen: Tastbare Knoten im Brustgewebe, Flüssigkeitsabsonderungen der Brustwarze, kleine Entzündungen, Wunden, die nicht abheilen. Die Abklärung der Diagnose erfolgt dann für die Männer aber in einem Umfeld, das eigentlich Frauen vorbehalten ist - sie treffen hier auf Ärztinnen und in der Regel weibliche Fachangestellte. 70 000 Frauen erhalten jährlich die Diagnose Brustkrebs. Hinzu kommen 600 bis 700 Männer. Der männliche Brustkrebs macht ein Prozent in der Gesamtgruppe aus. International variiert dieser Anteil, in einigen Teilen Afrikas liegt er höher, etwa in Uganda bei fünf Prozent, in Sambia sogar bei 15 Prozent. Hier könnten infektiöse Lebererkrankungen zu einen höheren Östrogenspiegel führen und Brustkrebs begünstigen.

Männer erkranken hingegen später als die Frauen, im Durchschnitt mit 69 Jahren, die Frauen sind bei der Diagnose im Mittel vier Jahre jünger. Häufig ist der Tumor bei Männern fortgeschrittener, weil den meisten ein derartiges Leiden unmöglich erscheint und erste Anzeichen ignoriert werden. Im Vergleich mit den Frauen haben Männer schlechtere Überlebensraten. Nur 65 Prozent der erkrankten Männer überleben zehn Jahre, von den Frauen 82 Prozent.

Über die männliche Variante des Mammakarzinoms, ihre Ursachen und die geeignete Therapie ist deutlich weniger bekannt. Einen geringen Vorteil in der Therapie haben die Männer. Bei ihnen beträgt der Anteil der hormonrezeptor-negativen Diagnosen zwischen zehn und 15 Prozent, bei Frauen ist er doppelt so hoch. In diesen Fällen helfen antihormonelle Medikamente nicht. Doch auch bei den Männern mit den entsprechenden Hormonrezeptoren ist noch sehr ungewiss, ob die bei Frauen erprobte Therapie ähnlich gut anschlägt. Auf Grund der geringen Zahl von männlichen Fällen gibt es bisher nur wenige und eher kleine Studien - 200 Teilnehmer sind da schon viel, im Durchschnitt gibt es nur etwa 35 Probanden. Einige Risikofaktoren des Mannes können schon benannt werden, darunter die erbliche Belastung durch eine bestimmte Genmutation, meist BRCA2. Das Klinefelter-Syndrom, eine seltene, angeborene Veränderung der Geschlechtschromosomen begünstigt Brustkrebs - allerdings fand man es bisher in maximal sieben Prozent der Fälle. Das Sexualhormon Östrogen spielt beim männlichen Brustkrebs eine wichtige Rolle. Bei einem hohen Anteil der erkrankten Männer fördert es das Wachstum des Tumors.

Den Männern mit Brustkrebs stehen im Prinzip die gleichen Therapien offen wie den Frauen: Operative Entfernung des Tumors, im Anschluss folgen oft die Einnahme von antihormonellen Mitteln, Bestrahlung und Chemotherapie. Die beiden letzten Optionen kommen bei Männern aber seltener zum Einsatz.

Spezielle Angebote für Männer gibt es erst sehr wenige. Bisher konnte sich noch keines der 280 Brustkrebszentren dafür entscheiden, sich hier zu spezialisieren. »Mir ist keine Klinik bekannt, die sich speziell an Männer mit Brustkrebs wendet und/oder spezielle Angebote für männliche Patienten bietet. Alle Brustzentren behandeln auch Männer - aber gerade deshalb sind die Erfahrungen mit männlichen Patienten auch in großen Kliniken auf wenige Neufälle im Jahr beschränkt. Eine Konzentration und/ oder gezielte Sammlung der Erfahrungen über mehrere Zentren findet nicht statt«; erklärt Peter Jurmeister. Er ist Vorsitzender des Netzwerkes Männer mit Brustkrebs e.V. Momentan kann er nur auf eine Rehaklinik in Bad Oeynhausen verweisen, die immerhin gemeinsame Anreisetage für die männlichen Brustkrebspatienten anbietet. »Diese Begegnung mit anderen Männern erleichtert natürlich den Patienten den Umgang mit der Erkrankung, mit der sich sich in unserem Gesundheitswesen ansonsten völlig allein gelassen vorkommen. Da aber unabhängig davon jede Reha-Klinik eigene Konzepte hat und andere Rahmenbedingungen bietet und auch jeder Patient andere Vorlieben hat, empfehlen wir grundsätzlich keine einzelne Klinik. Das besondere Angebot der Klinik Bad Oexen begrüßen wir aber natürlich sehr und weisen die Patienten auch immer darauf hin.«

Ansonsten müssen Männer wie alle anderen Krebspatienten mit Ängsten und plötzlicher Existenzunsicherheit umgehen, Veränderungen in ihrem sozialem Umfeld verkraften, ebenso die Nebenwirkungen der Therapien. Neuerkrankte können inzwischen auf die im Internet angebotenen Erfahrungen und Informationen des genannten Netzwerks zurückgreifen. Das Brustkrebsmagazin »MammaMia!« brachte ein Spezialheft für männliche Patienten heraus.

Obwohl Brustkrebs bei Männern so selten ist, hat er nicht den Status einer seltenen Krankheit. Bestimmte Möglichkeiten der Forschungsförderung fallen damit weg. Einzelne Studien gibt es jedoch. Seit Juni diesen Jahres läuft eine am Universitätsklinikum Bonn, mit der die medizinische und psychosoziale Situation dieser Patientengruppe untersucht werden soll. Ziel ist eine Verbesserung der Behandlungsverfahren. In einer seit 2012 laufenden Studie der German Breast Group wird in drei Gruppen die Suppression des Sexualhormon Östradiol untersucht. Weiterhin erfasst die Universität Magdeburg im Rahmen einer Registerstudie Daten zur Anamnese, Diagnostik, Pathologie, Therapie und zum Verlauf der Erkrankung. Auf dieser Basis sollen Diagnostik und Therapie in Zukunft besser werden.

www.brustkrebs-beim-mann.de

www.mammamia-online.de

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