Für die CDU ist ein Veggie-Schnitzel kein Schnitzel
Union und Fleischlobby stören sich an den Bezeichnungen für pflanzliche Fleischalternativen
Fleischfreier Braten, vegane Schnitzel, vegetarischer Wurstsalat: Im Supermarkt sind Fleischalternativen auf der Basis von Weizeneiweiß und Soja inzwischen fester Bestandteil im Sortiment. Der Union liegt der Trend zur fleischfreien Ernährung schwer im Magen. Aus der CSU-Landesgruppe im Bundestag hieß es am Sonntag, der «Etikettenschwindel bei veggie und vegan» müsse gestoppt werden. Konkret stören sich die Christsozialen an Produkten mit Namen wie «Veggie-Rindersteak» oder «veganer Schinken». Diese würden beim Verbraucher «falsche Erwartungen» wecken, befürchtet deren ernährungspolitische Expertin, Marlene Mortler. Sie meint, «wenn etwas ›Steak‹ oder ›Schinken‹ heißt, wird man es auch für Steak oder Schinken halten - für Fleisch also.» Demzufolge gibt es laut CSU Verbraucher, die etwa zu einem vegetarischen Schnitzel greifen, dabei allerdings nicht auf die Idee kämen, dass das Lebensmittel gar kein Schwein, Rind oder Huhn enthält.
Schwer mit dem Veggie-Boom tut sich auch die CDU, deren niedersächsischer Landesverband im Oktober der echten wie vermeintlichen Verbrauchertäuschung den Kampf ansagte: «Die Leute sollen essen, was sie wollen. Sie sollen aber wissen, was sie essen», erklärte der Verbraucherschutzsprecher Frank Oesterhelweg nach einem Beschluss seiner Partei, eine parlamentarische Initiative zum Verbot von Fleischbezeichnungen bei vegetarischen Produkten anzuschieben.
Gar kein Tier
Weder Fleisch, noch Eier, Milchprodukte, Honig und sämtliche anderen Produkte, die von einem Tier stammen, stehen auf dem Speiseplan von Menschen, die sich vegan ernähren. Entscheidet sich jemand nicht nur aus gesundheitlichen Gründen dafür, auf tierisches zu verzichten, umfassen die No-Gos meist weitergehende Alltagsgegenstände, etwa Kleidung, die entsprechend Leder enthält oder die Wolle von Schafen. Selbst Kondome sind nicht immer vegan.
Kein ...
Wenig überraschend stößt die Union mit solchen Forderungen beim Deutschen Fleischer-Verband (DFV) auf Gegenliebe. Bereits im Frühjahr hatte die Lobbyorganisation zusammen mit dem Deutschen Bauernverband eine Änderung der Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse ins Spiel gebracht. Ziel ist es, dass vegetarische und vegane Produkte «nicht die Verkehrsbezeichnungen verwendet dürfen, die für traditionelle Fleischerzeugnisse üblich sind.» DFV-Vizepräsident Konrad Ammon verstieg sich im November sogar zu der Aussage, er verstehe nicht, warum es keinen Aufschrei gibt, «wie damals beim Analogkäse-Skandal» im Jahr 2009. Während man auf den Verpackungen für Tiefkühlpizza und Co. allerdings den Hinweis auf ein Imitat vergeblich suchte, werben Hersteller von vegetarischen oder veganen Alternativen gezielt mit der Fleischfreiheit.
Beim Vegetarierbund (Vebu) versteht man die Aufregung indes nicht. «Seit Jahrzehnten verwenden Hersteller Begriffe wie ›Wurst‹ oder ›Schnitzel‹ auch für fleischfreie Produkte. Gerichte bestätigten immer wieder die Zulässigkeit», erklärt der Vebu in einer Stellungnahme. Auch aus den Reihen der SPD will man das Argument der Verbrauchertäuschung nicht gelten lassen. Derzeit gibt es «keine Hinweise auf Missverständnisse», sagt die SPD-Landwirtschaftsexpertin Elvira Drobinski-Weiß.
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Weniger klar ist dagegen, was der einzelne Lebensmittelhersteller unter «vegan» und vegetarisch« versteht. Dadurch besteht oft Unsicherheit, weil etwa Hilfsstoffe, die bei der Verabreitung eines Produktes notwendig, am Ende darin aber nicht mehr enthalten sind, derzeit nicht deklariert werden müssen. Häufig betroffen sind beispielsweise Fruchtsäfte oder Wein, die auch mittels tierischer Gelatine geklärt sein könnten. Ein entsprechendes Label gibt der Vebu zwar in Zusammenarbeit mit der European Vegetarian Union heraus, doch die Zertifizierung ist für Unternehmen freiwillig. Eine Initiative der Bundesregierung für eine europaweit einheitliche Definition wird deshalb auch vom Vebu unterstützt.
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