Im Krisenfall greift der Fonds

Finanzsenator will 300 Millionen Euro zurücklegen, um Konjunktureinbrüche auszugleichen

  • Lesedauer: 5 Min.

Sie sind gerade dabei den Jahresabschluss zu stemmen. Wie ist es zum Jahresende um die Berliner Finanzen bestellt?

Für die Finanzen gibt es gute Nachrichten. Wir werden den fünften Jahresabschluss in Folge haben, der positive Jahresergebnisse aufweist. Das war früher überhaupt nicht selbstverständlich und zeigt, dass wir Stabilität erreicht haben. Wie viel wir im positiven Bereich liegen, werden wir in den ersten Tagen des neuen Jahres wissen.

Zur Person

Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) ist seit Ende 2014 Finanzsenator in Berlin. Der 59-jährige Diplom-Physikingenieur führt in der rot-rot-grünen Koalition eines der wichtigsten Ressorts: In seinen Aufgabenbereich fallen unter anderem die geplante Investitionsoffensive sowie die Personalhoheit über den Öffentlichen Dienst. Über die finanziellen Voraussetzungen, Investitionsprojekte sowie Nachhaltigkeit sprach mit dem Senator für »nd« Martin Kröger.

Sie können noch keine Größenordnung für die Überschüsse nennen?

Das ist immer schwierig zu sagen, weil die Steuereinnahmen kein ständig fließender Strom sind, insbesondere im Dezember gibt es typischerweise immer deutlich höhere Steuereinnahmen als in den anderen Monaten. Unsere Prognose vor drei Monaten war, dass wir einen Überschuss von etwa 500 Millionen Euro erwarten.

Dieses Geld fließt dann in das sogenannte Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt (SIWA)?

Nach der bisherigen Logik des SIWA-Gesetzes würden 250 Millionen Euro in die Tilgung gehen und 250 Millionen für Investitionen zur Verfügung stehen. Wir haben aber in der ersten Sitzung des neuen Senats ein SIWA-Änderungsgesetz eingebracht, das allerdings noch vom Abgeordnetenhaus beschlossen werden muss. Wenn das Parlament von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, dann könnte das neue Gesetz bis Ende Januar kommenden Jahres beschlossen werden. Das neue SIWA sagt, dass mindestens 80 Millionen Euro in die Tilgung fließen und der Restbetrag genutzt wird für zwei weitere Zwecke ...

... Was ist das für ein weiterer Zweck, das Geld war doch bei SIWA bislang komplett für Investitionen vorgesehen gewesen?

Neben den Investitionen haben wir uns als rot-rot-grüner Senat vorgenommen, einen neuen Nachhaltigkeitsfonds aufzubauen.

Wofür ist dieser Fonds vorgesehen und wie wird er finanziell ausgestattet?

Es geht vor allem darum, konjunkturelle Dellen auszugleichen. Immer den Parlamentsbeschluss vorausgesetzt könnte das neue SIWA noch auf den Jahresabschluss 2016 angewandt werden. Dann hätten wir 400 Millionen Euro für die Investitionen und den Nachhaltigkeitsfonds.

Aus dem neuen Fonds werden dann die von Rot-Rot-Grün geplanten Kapitalspritzen für die kommunalen Wohnungsgesellschaften und das neue Stadtwerk bezahlt?

Nein, dabei handelt es sich um ein Missverständnis. Der geplante Nachhaltigkeitsfonds ist ausschließlich dafür da, konjunkturelle Einbrüche auszugleichen. Also wenn es infolge einer Krise zu Mindereinnahmen kommt, dann soll der Fonds greifen. Die Idee ist, ein Prozent vom Haushaltsvolumen für diesen Fonds zur Verfügung zu stellen.

Bei derzeit 27 Milliarden Euro Haushaltsumfang wären das 250 bis 300 Millionen Euro, die zur Verfügung stünden, um die Folgen einer Krise abzupuffern. Bis 2018 soll der Nachhaltigkeitsfonds aufgebaut sein.

Unter Umständen stehen dann Teile der Jahresüberschüsse von 2016, 2017 und 2018 - jeweils rund 90 Millionen Euro - für diesen Zweck zur Verfügung.

Das heißt, die Kapitalspritzen für die genannten landeseigenen Unternehmen erfolgen aus anderen Quellen?

In unserem Senatsbeschluss für ein neues SIWA-Gesetz ist festgeschrieben, dass der Investitionszweck in Zukunft weiter gefasst werden könnte. Dieser neue Zweck ist dann insbesondere auf die genannte Eigenkapitalstärkung ausgelegt.

Wie muss man sich das vorstellen, was sollen die Wohnungsunternehmen oder das Stadtwerk mit dem Eigenkapital machen?

Beim Stadtwerk können wir sehr viel mehr Mieterstrommodelle in Gang setzen. Aus energiepolitischen Gesichtspunkten ist das eine der wenigen Erzeugungsmöglichkeiten für erneuerbare Energien in der Stadt. Oben auf Hausdächern werden Solaranlagen installiert, die dadurch erzeugte Energie verbrauchen die Mieter des Hauses. 30 bis 40 Millionen Euro Eigenkapital könnten über fünf Jahre 30 bis 40 Millionen Euro Investitionen pro Jahr absichern.

Und bei den Wohnungsunternehmen dient das Geld wofür?

Die landeseigenen Wohnungsunternehmen brauchen die Eigenkapitalstärkung nicht unbedingt für den aktuellen Neubau, sondern es ist vorgesehen, dass wir den Wohnungsbestand durch Portfoliokäufe stärken. Etwa durch den Ankauf bundeseigener Wohnungen der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), von denen wir dann einen Anteil als besonders preisgünstige Wohnungen anbieten werden.

Ein Problem beim SIWA war, dass das Geld zur Verfügung stand, aber die Verwaltungsmitarbeiter zur Bearbeitung der Projekte fehlten.

Wir hatten einen langsamen Start, das ist richtig. Aber inzwischen liegen wir zwischen 18 und 20 Millionen Euro SIWA-Investitionen pro Monat. Und was Personal angeht, haben wir eine ganze Reihe von Stärkungen im Koalitionsvertrag festgelegt. Außerdem steuern wir schon länger um: Nach dem Tiefstand von 104 000 Beschäftigten im Öffentlichen Dienst haben wir inzwischen wieder 109 000 Menschen, die im Landesdienst und den Bezirken tätig sind. Für die bei Investitionen wichtigen Bauingenieure haben wir erst im Oktober einen neuen Studiengang aufgelegt.

Die Steigerung der Investitionen ist das Kernprojekt von Rot-Rot-Grün. Ein Teil der Investitionen soll über Kredite gestemmt werden - bei der Messe, Krankenhäusern und vor allem im Schulbereich. Wann soll das rechtssicher beginnen?

Für die neuen Institutionen werden wir ungefähr zwei Jahre brauchen. Bei den Schulen geht es in den kommenden zehn Jahren um ein Investitionsvolumen von fünf Milliarden Euro für Neubau, Sanierung und Bauunterhalt. Der Hauptteil wird nach wie vor über den Haushalt laufen.

Und was wird über die Kreditgesellschaften gemacht?

Da wird es um den Neubau von großen Schuleinheiten gehen. Für deren Errichtung brauchen wir die zentrale Gesellschaft.

Im Fall der BVG-Fahrzeugfinanzierungsgesellschaft für Waggons wurde dieser Weg von EUROSTAT, der europäischen Statistikbehörde, als Aufnahme von Schulden bewertet. Die Opposition hat ebenfalls mit einer Verfassungsklage gedroht und spricht von Schattenhaushalten. Wie ist der aktuelle Stand?

Wir suchen nach einer europarechtskonformen Lösung. Notfalls werden wir rechtliche Änderungen vornehmen, um den Standards zu genügen. Wenn auch das nicht geht, dann ist der Plan B, es einfach rückgängig zu machen. Wir haben aber aktuell Hinweise von den Statistikbehörden aus dem Bund und Europa erhalten, dass wir Dinge nicht vollständig berücksichtigt hätten, so dass wir doch noch zu einer europarechtskonformen Lösung kommen können. Wir sind diesbezüglich optimistisch. Und die CDU werden wir auch noch überzeugen, dass das der richtige Weg ist.

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