Reale Dystopie
Union, AfD, FDP könnten sich in wichtigen Punkten einigen
In der Union gibt es wenig Begeisterung dafür, die Große Koalition nach der Bundestagswahl im kommenden Jahr fortzusetzen. Entsprechend äußerte sich jüngst Parlamentspräsident Norbert Lammert. Doch der CDU-Politiker weiß ebenso wie seine Parteikollegen, dass es wohl keine andere realistische Möglichkeit als Schwarz-Rot geben wird, wenn eine starke AfD und womöglich auch die FDP im Bundestag vertreten sein werden. Noch gilt eine Zusammenarbeit mit der AfD für die Union als ausgeschlossen. Es hat bislang keinen Testlauf mit der Rechtspartei in einem Landesparlament gegeben. Zudem ist für die Konservativen fraglich, wie berechenbar die Abgeordneten der AfD wären. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die neue Partei in nächster Zeit wieder von der Bildfläche verschwinden wird. Deswegen könnte sich eines Tages für die Union sowie für die FDP die Frage stellen, ob sie neue Bündnisse rechts der Mitte wagen sollten. In den Programmen der vier deutschen Mitte-rechts-Parteien finden sich bereits einige Anknüpfungspunkte.
Flüchtlinge und Integration
Der vor wenigen Wochen beim Bundesparteitag der CDU gegen den Willen der eigenen Führung gefasste Beschluss zur doppelten Staatsbürgerschaft wurde in rechten Kreisen begrüßt. Demnach soll der Optionszwang für Jugendliche wieder eingeführt werden. Das würde vor allem türkischstämmige Einwandererkinder betreffen, die sich dann zwischen deutschem und ausländischem Pass entscheiden müssten. Die CSU bekundete sofort ihre Unterstützung. Auch die AfD will in diesem Bereich Änderungen vornehmen. In ihrem Programm steht, dass der frühere Status quo des Abstammungsprinzips, der bis zum Jahr 2000 galt, wieder eingeführt werden sollte. Demnach wurde ein Kind mit Geburt deutsch, wenn mindestens ein Elternteil deutsch war. Streit könnte in diesem Bereich mit der FDP drohen. Sie hatte sich lange gegen Vereinfachungen bei der doppelten Staatsbürgerschaft gesträubt, aber in den vergangenen Jahren ihre Haltung geändert.
Ein gemeinsames Ziel der Mitte-rechts-Parteien ist in der Flüchtlingspolitik die Ausweitung der »sicheren Herkunftsstaaten«. Die Umsetzung des Bundestagsbeschlusses der Großen Koalition zu den Maghrebstaaten wird derzeit in der Länderkammer von Grünen und LINKEN blockiert. Sie weisen darauf hin, dass in Tunesien, Algerien und Marokko schwere Menschenrechtsverletzungen begangen werden.
Dagegen sollte nach Ansicht der AfD jeder Staat mit einer Anerkennungsquote von unter zwei Prozent zu einem »sicheren Herkunftsstaat« erklärt werden. Ähnlich argumentieren die Unionsparteien. In der FDP heißt es, dass dieser Schritt ein »richtiger Beitrag zur Bewältigung der Flüchtlingskrise« sei, weil dann die Asylverfahren für die Menschen aus den Maghrebstaaten beschleunigt würden. Das Ziel ist die schnellere Abschiebung von Schutzsuchenden.
Auch die von CDU und CSU geforderten Transitzonen, aus denen Asylbewerber zügig zurückgeschickt werden sollen, könnten mit der AfD schnell beschlossen werden. Die Einrichtung dieser Zonen ist bislang am Widerstand der SPD gescheitert. Die AfD will, dass über Asylanträge aus »sicheren Herkunftsstaaten« sowie Anträge von Antragstellern, »die über sichere Drittstaaten« eingereist sind, innerhalb von 48 Stunden entschieden wird. Auch die CSU hat Sympathien für dieses Modell gezeigt. Die FDP will, dass Anerkennungsverfahren beschleunigt werden, gegen die Transitzonen hat sie allerdings noch rechtliche Bedenken.
Steuern
Alle vier Parteien wollen staatliche Aufgaben auf ein Minimum reduzieren. Die AfD verlangt, dass die derzeit ausgesetzte Vermögensteuer sowie die Erbschaftsteuer abgeschafft werden. CDU, CSU und FDP wollen die Vermögensteuer, die Reiche belasten und deren Aufkommen den Ländern zugutekommen würde, in keinem Fall wiederbeleben. Im Fall der Erbschaftsteuer ist man sich einig, dass reiche Erben entlastet werden sollen. So radikale Forderungen wie die AfD stellen die anderen Parteien aber nicht. Die FDP will eine pauschale Erbschaftsteuer von zehn Prozent ab einer Freigrenze von einer Million Euro auf alle Erbschaften. CDU und CSU waren zuletzt maßgeblich an der Reform der Erbschaftsteuer beteiligt, die nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendig geworden war. Dabei haben sie sich vor allem dafür eingesetzt, reiche Unternehmerdynastien zu schonen.
Soziales
Die AfD wird von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen unterstützt. Sie ist auch auf sozial abgehängte Protestwähler angewiesen. Bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im September wählten Arbeitslose überdurchschnittlich häufig die AfD. Um diese Menschen nicht zu verschrecken, bleibt die Partei in der Sozialpolitik sehr vage. Anstelle von Hartz IV spricht sie sich für eine »aktivierende Grundsicherung« aus. Wer arbeitet und zugleich auf staatliche Unterstützung angewiesen ist, soll etwas mehr haben als ein Erwerbsloser. Wie hoch die Leistungen sein sollen, bleibt im Programm der AfD offen. Den Begriff »aktivierende Grundsicherung« hat die Rechtspartei von der FDP übernommen. Der heutige Chef der Liberalen, Christian Lindner, hatte ihn vor etwa sieben Jahren benutzt. Damit verband er die Forderung nach einem Bürgergeld. In dieser Leistung sollen alle steuerfinanzierten sozialen Hilfen des Staates zusammengefasst werden. Im Ergebnis hätten viele Betroffene noch weniger zur Verfügung als bei Hartz IV. Ein ähnliches Konzept war vor einigen Jahren in der CDU ebenfalls diskutiert worden.
Außenpolitik
In diesem Bereich könnten Konflikte schlummern. Im Unterschied zu den Unionsparteien und der FDP lehnt die AfD eine gemeinsame europäische Armee ab. Allerdings würden Auslandseinsätze der Bundeswehr wohl nicht am Widerstand der AfD scheitern. In ihrem Programm betont die Partei nicht nur die Landesverteidigung als zentrale Aufgabe der Bundeswehr, sondern die deutschen Streitkräfte sollten auch »in erforderlichem Maß zur Bündnisverteidigung und Krisenvorsorge« befähigt werden. Zwar bekennt sich die Rechtspartei zur NATO, will aber zugleich engere Beziehungen zu Moskau knüpfen. Die Wirtschaftssanktionen gegen Russland lehnen Spitzenpolitiker der AfD im Unterschied zu Union und FDP ab.
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