Tausende erinnern an Luxemburg und Liebknecht
Linkspartei und linke Gruppen gedenken in Berlin der Ermordung der beiden Kommunistenführer vor 98 Jahren
Unzählige rote Nelken liegen bereits am Sonntagvormittag auf den Grabsteinen von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und anderen bedeutenden Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde. Trotz des ungemütlichen Wetters pilgerten auch in diesem Jahr wieder Tausende zur Gedenkveranstaltung anlässlich des 98. Todestages der beiden Kommunistenführer. Am 15. Januar 1919 wurden sie während des Spartakusaufstandes von Freikorpssoldaten in Berlin erschossen.
Traditionsgemäß legten bereits am Morgen die Vorsitzenden der Linkspartei, Bernd Riexinger und Katja Kipping, Kränze zum Gedenken an Luxemburg und Liebknecht nieder. Auch die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, sowie der ehemalige Parteichef, Oskar Lafontaine, nahmen an der Veranstaltung teil.
Parallel dazu beginnt um 10 Uhr am Frankfurter Tor die traditionelle Liebknecht-Luxemburg-Demonstration, kurz »LL-Demo«, die je nach Gusto auch mal zur »LLL-Demo« (Liebknecht-Luxemburg-Lenin) umfunktioniert wird. Schon in der Weimarer Republik wurde an diesem Tag der Gedenkmarsch abgehalten, in der DDR war es ein Staatsakt unter Führung der gesamten SED-Spitze.
Ein Meer von roten Fahnen weht bei Schneeregen in der Karl-Marx-Allee. Was auf den ersten Blick einheitlich erscheinen mag, stellt sich bei genauerem Hinsehen als durchaus heterogenes, teils widersprüchliches Fahnenensemble heraus. Die verbotene KPD-Flagge wird neben der der jetzigen DKP geschwenkt, dahinter eine Reihe des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB, ebenfalls rot) und der LINKEN, hier und da finden sich auch noch DDR-Symbole. Hammer und Sichel sowieso. Nicht selten wurden an diesem Tag auch Stalin- und Mao-Fahnen entrollt.
Aus dem Lautsprecherwagen an der Spitze der Demo schallen alte Arbeiterkampflieder, auf dem Fronttransparent steht: »Luxemburg, Liebknecht, Lenin - niemand ist vergessen«. Weiter hinten tönt aus Lautsprechern der Standard-Soundtrack linker Szenedemos, die Redebeträge drehen sich um Rassismus und die AfD.
Nicht weit davon entfernt marschieren gemeinsam in Reih› und Glied bekennende Leninisten und Maoisten und skandieren unermüdlich ihre Lieblingsparole: »Nur der Griff der Massen zum Gewehr, schafft den Sozialismus her«. Währendessen tragen andere TeilnehmerInnen Transparente gegen Krieg und Waffenexporte. Die Worte »Klassenkampf« und »Revolution« schallen aus unterschiedlichen Blöcken der Demo, die sich auf dem Weg in Richtung Sozialistenfriedhof macht.
Dieses Konglomerat unterschiedlicher Gesinnungen hat schon in der Vergangenheit zu Spannungen geführt. Mehrmals kam es schon während der Demo zu Auseinandersetzungen verschiedener linker Gruppen. Auf dem Friedhof wurden Kränze am 2006 aufgestellten Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus mehrmals beschädigt oder zerstört. In den vergangen Jahren hatte es daher aus dem linken Spektrum immer wieder Kritik an teilnehmenden Gruppen der LL-Demo gegeben. Der jetzige Kultursenator der Linkspartei, Klaus Lederer, nannte die Demonstration einst einen »obskuren Sektenfasching«.
Für manche sind gerade die inhaltlichen Differenzen der Grund, auf der Demo präsent zu sein. »Ich bin hier, um gegen die Stalinisten auf dieser Demo und der ganzen Welt zu demonstrieren und den Opfern des Stalinismus zu gedenken«, sagt Junus Özgür, der zu der Gruppe »Revolutionär-Kommunistische Jugend« gehört. Sichtbar wird: Nicht allen geht es an diesem Tag bloß um Karl und Rosa. Die einen fordern die Freilassung aller Kriegsgefangenen, die anderen den Sturz des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und fast alle sehnen sich nach der Revolution - aber eben jeder auf seine Weise.
Zu Auseinandersetzungen zwischen TeilnehmerInnen kommt es an diesem Sonntag trotzdem nicht. Einziger Zwischenfall bliebt das Eingreifen der Polizei in den kurdischen Block, wo die Beamten einige Fahnen konfiszieren und zwei Teilnehmer festnehmen.
Lesen Sie hier, wer die »LL-Demo« in diesem Jahr organisiert und welche Bedeutung sie für die linke Szene in Berlin hat.
Als die nach Polizeiangaben etwa 3500 DemonstrantInnen den Sozialistenfriedhof erreichen, wird es voll um die Gedenkstätte. Vor dem großen Mahnmal mit der Aufschrift »Die Toten mahnen uns« drängen sich die Menschen, um ihre Nelken niederzulegen. Durch die Bratwurstbuden und Infostände vor dem Friedhof, das wuselige Treiben vor den Grabstätten und die zahlreichen Polizisten hat das ganze Schauspiel weniger von ehrfürchtigem Gedenken als vielmehr von linker Folklore. Und so scheint es auch in diesem Jahr für viele eher um innerlinken Zwist und heißen Glühwein zu gehen als um Rosa und Karl.
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