Susi scheiterte am Lachs!

Freitags Wochentipp: Die Vorabendserie »WaPo Bodensee« ist kaum mehr als Tourismusreklame

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 3 Min.

Es waren, nüchtern betrachtet, wieder keine allzu guten Tage für die Meinungsvielfalt und die Pressefreiheit. In den USA entzog Donald Trump kurz vor seiner offiziellen Einführung ins Präsidentenamt, die am Freitag auch das deutsche Fernsehprogramm dominiert, dem hochseriösen Nachrichtensender CNN auf einer Pressekonferenz das Wort mit den Worten: »You›re fake news«. Kurz darauf lud die zutiefst wahrheitsliebende AfD ausgerechnet ARD und ZDF wegen »unjournalistischer Berichterstattung« von einer öffentlichen Parteiveranstaltung aus. Und dann darf das öffentlich-rechtliche Fernsehen nicht von der Handball-WM in Frankreich berichten.

Gut, das wollte es zu einer Zeit, da die deutsche Mannschaft bemitleidenswert erfolglos war, auch ein klein wenig weniger als jetzt, da sie zu den Titelfavoriten zählt. Aber man wird ja mal klagen dürfen. Zumal das nachträglich erworbene Recht, zumindest in den Nachrichten bewegte Bilder zeigen zu dürfen, nicht darüber hinwegtäuscht, auf welch beklagenswertem Weg sich die Sportwelt befindet, wenn so bedeutende Sportveranstaltungen ausschließlich von einem der Sponsoren übertragen werden, und das auch nur per Internet.

Da gewinnen Breaking News wie diese hier doch gleich noch weiter an Relevanz: »Kandidatin Susi aus Düsseldorf«, so meldete der Bezahlkanal Sky, seine TV-Kochreihe »Master Chef« betreffend, in alle Welt, »scheitert am Lachs«. Am Lachs! Oh, Gott! Aber wie gut, dass es für gescheiterte Existenzen hierzulande das Dschungelcamp gibt, um sich, wie derzeit wieder praktiziert, ein wenig am eigenen Ego aufzurichten. Muss Susi sich allerdings noch kurz ausziehen am Herd. Dann klappt das mit dem Lachs zwar immer noch nicht, aber vielleicht das mit der Anschlusskarriere unter Palmen.

Eine Anschlusskarriere auf - Sorry für den plumpen Übergang - Wellen legt dagegen die Polizistin Nele in der ARD-Vorabendserie »WaPo Bodensee« hin. Mit dem zuckersüßen Gesicht des Romanzeninventars kehrt sie (Floriane Daniel) nach gescheiterter Ehe mitsamt ihrer zwei Kinder aus dem Hamburger Exil zurück in ihren Herkunftsort am Bodensee und verkörpert dort zunächst acht Folgen lang eine Wasserschutzpolizistin, hin- und hergerissen zwischen Stadt und Land, Beton und Natur, Entfremdung und Bodenständigkeit.

Wobei es so beschaulich gar nicht zugeht an Deutschlands größtem Binnengewässer. Gleich in der Auftaktfolge spült ein »Geisterschiff« die erste Leiche an Land, wo es dank Drogen, Mobbing und Kompetenzgerangel hoch hergeht.

Das Format soll natürlich vor allem optisch überzeugen und ansonsten nicht weiter wehtun. Deshalb gibt es natürlich permanent Totalen vom touristisch verwertbaren Bodensee zu sehen. Und deshalb wird jeder schale Witz mit betulicher Musik angekündigt. Und deshalb verliebt sich die nette Nele auch bald in den schneidigen Hauptmann vom Schweizer Ufer. Vorabendfans werden es lieben, alle anderen werden‹s hassen. Fernsehen kann auch in schweren Zeiten sehr demokratisch sein.

ARD, 17. Januar, 18.50 Uhr

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