Über Sachsen

Ein Land im Brennglas - nicht ohne Hoffnung

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Sachsen - spätestens seit dem Aufkommen von Pegida für viele Synonym für das »dunkle Deutschland«. Clausnitz, Freital oder Bautzen stehen als Chiffre für Feindlichkeit gegenüber Fremden, die auch vor Gewalt nicht zurückschreckt. Die Journalisten Heike Kleffner und Matthias Meisner haben mit »Unter Sachsen« einen Band herausgeben, in dem sich über 40 Autorinnen und Autoren der Frage widmen »Warum Sachsen?« Ein gelungener, tief- und nahegehender Band.

Heike Kleffner/Matthias Meisner (Hg.): Unter Sachsen. Zwischen Wut und Willkommen.
Ch.Links Verlag. 308 S., geb., 18 €.

Kleffner und Meisner gliedern ihr Buch in drei Abschnitte. Im ersten, »Die gesellschaftliche Mitte als Gefahrengebiet« betitelt, legen die Autoren dar, wie eine sehr konservative CDU seit 1990 das Land prägte und im Hass aufs Fremde höchstens ein Imageproblem sieht; wie ein erster Ministerpräsident, der ausgerechnet ein West-Import vom dortigen politischen Abstellgleis, Kurt Biedenkopf, den Sachsen das Gefühl von Glanz wiedergab und dabei demokratische Gepflogenheiten kaum entstehen konnten. Wo der Feind hauptsächlich links steht, kann rechts ein Nährboden für Fremdenfeindlichkeit entstehen, auf dem dann 2014 Pegida wächst - bald bestens vernetzter Teil der »Neuen Rechten«, wie das Buch überzeugend nachzeichnet.

Es folgt ein Reportageteil, in dem die Autoren sich unter Sachsen begeben haben und nicht über sie dozieren. Zum Schluss ein Teil, betitelt mit »Wieviel Hoffnung bleibt?« Nach jedem Kapitel folg ein kurzer »Zwischenruf« - Menschen aus Sachsen oder jene, die heute dort leben, geben in persönlichen Texten preis, was sie mit ihrer Stadt, ihrem Land verbindet. Oder trennt. Bedrückend etwa das Bild, was Wolfgang Berghofer, letzter SED-Bürgermeister von Dresden, für die Agonie der letzten Jahre der DDR in Dresden zeichnet: Aus seinem Fenster war das Verfallende zu sehen, was von 1945 übrig blieb; bei den zuständigen Behörden stapelten sich über 25 000 Ausreiseanträge.

Die Kapitel unterschiedlichen Formats formen ein Prisma, das einerseits widersprüchlich bleibt, anderseits neue Verbindungen aufzeigt. Drei Beispiele: Im Interview äußert Karlhans Liebl von der Hochschule der Sächsischen Polizei offen, dass »das Thema interkulturelle Kompetenz dringend in der Aus- und Fortbildung der Polizei verankert werden« müsse. »Doch in Sachsen ist da ein weißer Fleck.« Amrei Drechsler beschreibt detailliert, wie der Kabarettist Uwe Steimle nach und nach vom »Fackelträger« für ostdeutsche Identität und sächsische Mundart zum umjubelten Idol bei Pegida wurde - von Schlager-Süßtafel-Seligkeit hin zum Auftritt im »Compact«-Nicki, alles verpackt im schönsten Dresdnerisch. Und Maik Baumgärtner zeigt auf, wie Teile der extremen Rechten mit dem Drogenproblem Nummer eins im Freistaat, Crystal Meth, umgehen - sie verdealt und konsumiert die egostärkende und enthemmende Substanz.

Sachsens Gegenwart - vielfach verwirrend. Und doch: »Es gibt nach diesen verkorksten zwei Jahren gewiss keinen Grund zur Freude«, meint Michale Bittner am Schluss, »aber auch keinen, die Hoffnung aufzugeben - nicht einmal für Dresden.«

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