Journalisten leiden zunehmend unter staatlicher Repression
Organisation prangert Medienfeindlichkeit auch westlicher Spitzenpolitiker an / Türkischer Journalist Ali Ergin Demirhan freigelassen
Berlin. Die Lage für Journalisten hat sich nach Einschätzung der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) weltweit verschlechtert - auch durch medienfeindliche Ausfälle führender Politiker in westlichen Demokratien. In Ländern wie den USA, Polen oder Großbritannien würden Spitzenpolitiker ihre Geringschätzung gegenüber Journalisten offen zur Schau tragen, kritisierte die Organisation am Mittwoch bei der Vorstellung ihrer Rangliste der Pressefreiheit 2017.
»Besonders erschreckend ist, dass auch Demokratien immer stärker unabhängige Medien und Journalisten einschränken, anstatt die Pressefreiheit als Grundwert hochzuhalten«, erklärte ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske. Er betonte: »Demokratische Regierungen dürfen den Autokraten der Welt durch Überwachungsgesetze oder demonstrative Geringschätzung unabhängiger Medien keinen Vorwand für ihre Repression gegen Journalisten liefern.«
Dem neuen ROG-Bericht zufolge hat sich die Lage für Journalisten in knapp zwei Dritteln der 180 Länder verschlechtert. Untersucht wurde vor allem das Jahr 2016. Repressionen gegen Journalisten prangerte ROG insbesondere in Ländern wie Ägypten, der Türkei, Burundi, Syrien, Libyen oder Jemen an.
Der Rangliste zufolge rutschte die Türkei erneut um vier Plätze ab und liegt jetzt auf Rang 155. ROG erinnerte daran, dass dort etwa 150 Journalisten im Gefängnis sitzen und etwa 150 Medien geschlossen wurden. Als Grund führt ROG eine »bespiellose Repressionswelle« seit dem Putschversuch im vergangenen Sommer an.
Ali Ergin Demirhan wieder auf freiem Fuß
Zu den inhaftierten Journalisten gehörte kurzzeitig auch Ali Ergin Demirhan. Er wurde am vergangenen Donnerstag festgenommen, weil er das offizielle Ergebnis des Referendums über das Präsidialsystem nicht anerkannt sowie zum Protest aufgewiegelt habe. Am Dienstag kam Demirhan, der vor allem für das Onlinemedium sendika.org arbeitet, nach Angaben seiner Kollegen wieder frei.
In einer ersten Erklärung schrieb Demirhan: »Es befinden sich noch 150 weitere JournalistInnen in den Gefängnissen. Auch ihr einziges Verbrechen ist es, das Recht der Bevölkerung auf Information verteidigt zu haben. Aber diese Verhaftungen und Einschüchterungsoperationen sind vergebens. Die Drohungen verfangen nicht. (...) Allen, die mich unterstützt haben, gilt mein Dank.«
Das Verfahren gegen Demirhan wegen »terroristischer Propaganda« aus dem vergangenen Jahr ist allerdings weiterhin anhängig.
Skandinavien an der Spitze der ROG-Jahresliste
Die besten Plätze im ROG-Bericht nehmen Norwegen, Schweden und dann Finnland ein. Deutschland kam unverändert auf Platz 16. ROG kritisierte jedoch, dass es hierzulande erneut »erschreckend viele tätliche Angriffe, Drohungen und Einschüchterungsversuche gegen Journalisten« gegeben habe.
Russland landete auf Platz 148, Ägypten auf Platz 161. In China (unverändert Rang 176) sitzen demnach rund hundert Medienschaffende im Gefängnis. Auf den letzten Platz der Rangliste rückte Nordkorea, so dass Eritrea erstmals seit zehn Jahren nicht mehr das Schlusslicht bildet. Das Land steht nun hinter Turkmenistan an vorletzter Stelle. Agenturen/nd
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