Frankreichs Gewerkschaften marschieren getrennt
Einhellige Ablehnung der rechtsextremen Marine Le Pen kann die Differenzen über den marktliberalen Emmanuel Macron nicht überbrücken
Die Zeiten haben sich in Frankreich geändert: 2002 waren am 1. Mai auf Initiative aller großen Gewerkschaften mehrere Millionen Menschen auf die Straße gegangen, um einen Sieg des rechtsextremen Jean-Marie Le Pen bei den damaligen Präsidentschaftswahlen zu verhindern. In diesem Jahr hatten zwar die Vorsitzenden der beiden größten Gewerkschaften, Philippe Martinez für die CGT und Laurent Berger für die CFDT, gemeinsame Aktionen für den Fall vereinbart, dass Marine Le Pen in den zweiten Wahlgang kommt. Doch als es so weit war, haben sich beide über die Losungen und Forderungen bei der Maidemonstration zerstritten. Während die CFDT klar dazu aufruft, Emmanuel Macron zu wählen und so Marine Le Pen von der rechtsextremen Front National (FN) zu verhindern, ruft die CGT nur dazu auf, einen Siegeszug Le Pens zu durchkreuzen. Das zeugt von den großen Vorbehalten der CGT gegenüber Macron, der die liberale Reform des Arbeitsrechts weiterführen will und der dabei, wie schon bei der Arbeitsrechtsreform von 2016 auf die Unterstützung der reformistischen CFDT zählen kann.
Die Uneinigkeit der Gewerkschaften fand ihren Ausdruck in getrennten Kundgebungen. So fand am 1. Mai vormittags im Osten von Paris eine Demonstration der CFDT mit nur einigen Tausend Teilnehmern statt, während am Nachmittag viele Zehntausende im Zentrum vom Platz der Republik zum Platz der Nation demonstrierten. Dazu hatten gemeinsam die Gewerkschaftsverbände CGT und FO sowie die Lehrergewerkschaft FSU aufgerufen. An dieser Demonstration nahmen auch die Pariser Kommunisten, angeführt durch Nationalsekretär Pierre Laurent, teil.
Unabhängig von den Organisatoren hatten über Facebook auch zwei Bürgerinitiativen dazu aufgerufen, zum Platz der Republik zu kommen und sich dem Demonstrationszug anzuschließen, um ihre Ablehnung von Marine Le Pen zu bekunden. Einer dieser Aufrufe ging von Mitgliedern von Jean-Luc Mélenchons Bewegung La France insoumise (Das aufsässige Frankreich) aus, die allerdings appellierten, weder für Le Pen noch für Macron zu stimmen. Mélenchon selbst hatte sich in einem Fernsehinterview erneut geweigert, eine Wahlempfehlung abzugeben, hatte aber erklärt, dass es ein »schlimmer Fehler« und eine Tragödie für Frankreich wäre, für die FN-Kandidatin zu votieren. Mélenchon forderte Emmanuel Macron auf, eine Geste in Richtung der arbeitenden Menschen zu machen und der Front National Boden zu entziehen, indem er als neu gewählter Präsident auf seine Arbeitsrechtsreformpläne verzichtet. Demgegenüber hielt Mélenchon Marine Le Pen zugute, dass sie zumindest versuche, mit den Mitgliedern seiner Bewegung La France insoumise zu reden - wenn auch mit der Absicht, möglichst viele zu sich herüberzuziehen.
Auch die Wahlkampfmeetings der beiden Präsidentschaftskandidaten am Montagnachmittag standen angesichts des 1. Mai weitgehend im Zeichen des Themas Arbeit. Macron kündigte in einem Saal an der Pariser Porte de La Villette an, dass er seine Arbeitsrechtsreform umgehend im Sommer per Dekret auf den Weg bringen will. Sie werde die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannen und helfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Marine Le Pen, die ein Meeting mit mehr als 10 000 Teilnehmern in einer Messehalle in Villepinte nahe dem Pariser Flughafen Roissy abhielt, bekräftigte ihre Absicht, das unter Hollande verabschiedete Arbeitsrechtsgesetz zu annullieren. Andererseits machte sie einen Rückzieher hinsichtlich des Euro, auf den Umfragen zufolge zwei Drittel der Franzosen nicht verzichten wollen. Wer von den beiden Kandidaten am 1. Mai besser punkten konnte, wird sich bei der Stichwahl am kommenden Sonntag zeigen.
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