Maulwurf in der Finanzverwaltung
Affäre um Schweizer Agenten weitet sich aus / Daniel M. soll Spitzel in NRW angeheuert haben
Im Fall des Schweizer Agenten Daniel M. kommen immer neue, brisante Details ans Tageslicht. Um an Informationen über den Ankauf von Steuer-CDs zu kommen, soll der Schweizer eine »Quelle« in der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung angeworben haben. Der Spitzel sollte Informationen darüber beschaffen, wie deutsche Behörden beim Ankauf von Steuerdaten aus der Schweiz vorgehen.
Die Spionageaffäre kam ins Rollen, nachdem der 54-jährige Daniel M. in der vergangenen Woche in Frankfurt am Main festgenommen wurde. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, für den »Geheimdienst einer fremden Macht« tätig zu sein. Der ehemalige Polizist und Privatdetektiv soll im Auftrag des Schweizer Nachrichtendienst des Bundes (NDB) tätig gewesen sein. Sein Auftrag: herausfinden, wer in Deutschland die Daten von Steuerhinterziehern beschafft und wie das passiert. Diese Informationen sollen es den Schweizer Behörden ermöglichen, deutsche Steuerfahnder zu identifizieren, die am Ankauf der Bankdaten beteiligt waren.
Gegenüber der Schweizer Boulevard-Zeitung »Blick« bestätigte Corinna Eichenberger, die als Nationalrätin im parlamentarischen Kontrollgremium der Geheimdienste sitzt, dass man sich schon vor fünf Jahren mit Daniel M. befasst habe. Der Ankauf von Steuerdaten aus Deutschland wurde in der Schweiz als »illegale Wirtschaftsspionage« bewertet, dem sich die Spionageabwehr widmen müsse. Durch die von M. gewonnenen Informationen sollen Haftbefehle gegen drei Steuerfahnder aus Deutschland erwirkt worden sein. Ihnen wird unter anderem »nachrichtliche Wirtschaftsspionage« und »Verletzung des Bankgeheimnisses« vorgeworfen.
Ob die Parlamentarier auch darüber informiert wurden, dass Daniel M. Maulwürfe in deutschen Behörden anwerben sollte, ist bislang unklar. Fest steht allerdings, dass der Auftrag bis in die Spitze des NDB abgenickt wurde. Im Haftbefehl der Bundesanwaltschaft, der verschiedenen Schweizer Medien vorliegt, werden Kontaktpersonen von M. genannt. Unter ihnen der stellvertretende Chef des Schweizer Geheimdienstes Paul Zinniker.
Auf die Spur von Daniel M. sind die deutschen Sicherheitsbehörden kurioserweise durch Aussagen von M. selbst gekommen. Im Jahr 2015 wurde er in der Schweiz verhaftet, nachdem er versucht hatte, gefälschte Bankdaten an - wie es heißt - »deutsche Abnehmer« zu verkaufen. In den folgenden Vernehmungen plauderte M. über seine Geheimdiensttätigkeiten, die Protokolle der Vernehmungen gelangten auf bislang unbekanntem Weg an deutsche Sicherheitsbehörden. Die Verhaftung des Schweizer Agenten erfolgte am vergangenen Freitag.
Vor einem Rätsel stehen die deutschen Behörden allerdings noch: Sie wissen bislang nicht, wer die von M. angeworbene »nachrichtendienstliche Quelle« in der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen ist. Die unbekannte Quelle sollte - so ist dem Haftbefehl gegen M. zu entnehmen - »unmittelbare Informationen über das Verhalten deutscher Behörden« erlangen. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sprach nach der Enthüllung von einer »neuen Dimension« im Spionageskandal und forderte die Schweiz auf, solche »Räuberpistolen« zu unterlassen. Er versprach, sich auch künftig nicht bei dem Einsatz für Steuergerechtigkeit einschüchtern zu lassen.
Mehrere deutsche Bundesländer haben seit einigen Jahren CDs mit Bankdaten mutmaßlicher Steuerhinterzieher aus der Schweiz und Liechtenstein gekauft - allen voran NRW.
Die Bundesregierung hatte wegen des Falls am Dienstag die Schweizer Botschafterin ins Auswärtige Amt bestellt und Aufklärung über den Fall erbeten.
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