Pragmatiker
Personalie
Die im Gaza-Streifen herrschende Hamas stellt sich neu auf. Erst änderte sie ihr politisches Programm ein wenig, dann wählte sie einen neuen Anführer: den Politveteran Ismail Hanijeh. Der 56-Jährige löst an der Spitze des Politbüros Khaled Maschal ab, der nach 20 Jahren an der Spitze des höchsten Gremiums der Organisation nicht erneut kandidierte. Bislang führte Hanijeh die De-facto-Regierung der Hamas im Gaza-Streifen, der offiziell zu den Palästinensischen Autonomiegebieten gehört; die von Präsident Mahmud Abbas geführte palästinensische Regierung mit Sitz in Ramallah hat dort aber keinen Einfluss mehr.
In seine Zeit als Gaza-Regierungschef fallen drei Kriege der Hamas gegen Israel. Dennoch gilt er gemessen an anderen bekannten Hamas-Funktionären als Pragmatiker, der dazu bereit ist, von der Hamas-Ideologie abzuweichen und Kompromisse zu schließen, wenn es notwendig ist. Damit schaffte er in der Vergangenheit auch immer wieder den Ausgleich mit anderen gewaltbereiten, oftmals radikaleren Gruppen im Gaza-Streifen. Damit stand er auch stets im Konflikt zum in Katar ansässigen Maschal, der für eine strikte Durchsetzung der Ziele der Hamas plädierte und jede Form von Gesprächen mit Israel ablehnte. Maschal versuchte stets, seinen Einfluss auf dem Weg über die Kassam-Brigaden, den militärischen Flügel der Hamas, zu sichern, die im Gaza-Streifen im Laufe der Jahre ein Eigenleben entwickelt haben und öffentlich Entscheidungen ihrer Regierung kritisierten.
Ob Hanijeh künftig wie Maschal in Katar ansässig sein wird, ist unklar. Sicher ist allerdings, dass das Machtgefüge der Organisation, die auch die Verantwortung für eine Vielzahl von Bombenanschlägen in Israel übernommen hat, weiterhin kompliziert bleibt: Schon vor Wochen war Yahya Sanwar, ein nach Hamas-Maßstäben extremer Hardliner aus den Reihen der Kassam-Brigaden, zum Chef der Hamas in Gaza ernannt worden. Wer die Hamas im Westjordanland führt, ist nicht bekannt. Hanijehs Pragmatismus wird gefragt sein.
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