Alba Berlin ärgert den FC Bayern
Berlins Basketballer gleichen dank neuer Defensivvorgaben des jungen Trainers die Viertelfinalserie aus
Nach einem Trainerwechsel müssen Sportler besonders darauf achten, was sie über ihren neuen Übungsleiter sagen. In ein Lob für ihn kann, eventuell unbeabsichtigt, schnell Kritik am alten hineininterpretiert werden. Die Basketballer von Alba Berlin haben vor gut zwei Wochen Thomas Päch vor die Nase gesetzt bekommen, als der 34-Jährige für den kurzen Rest der Saison als Ersatz für den erfolglosen Ahmet Caki eingesetzt wurde. Am Donnerstagabend führte Päch Alba beim 83:76 gegen Bayern München zum ersten Überraschungserfolg. In der Viertelfinalserie um die deutsche Meisterschaft steht es nun 1:1. Drei Siege sind zum Weiterkommen nötig. München ist weiterhin Favorit, doch die Berliner sind dank ihres Trainers plötzlich überzeugt davon, dass sie eine Chance haben.
Fünf Tage zuvor waren sie in München noch mit 68:95 untergegangen. Allein das zweite Viertel war damals mit 8:31 verloren gegangen. In der heimischen Arena am Ostbahnhof drehte Alba den Spieß nun um. Diesmal machte Berlin im dritten Viertel aus einem 41:50-Rückstand eine 62:58-Führung, die in der Folge noch wachsen sollte. »In der zweiten Hälfte haben wir unsere beste Verteidigungsleistung der ganzen Saison abgeliefert«, sprach Flügelspieler Tony Gaffney danach einen solchen Satz, der sonst immer als Lob durchgehen würde, kurz nach einem Trainerwechsel aber nach versteckter Abrechnung mit dem alten Coach klang. Ganz nach dem Motto: Der Neue hat in zwei Wochen geschafft, was der Alte in acht Monaten nicht hinbekam.
Gaffney will seine Statements vermutlich gar nicht so interpretiert wissen, doch sagen sie viel aus über die Gründe für die bisher so verkorkste Saison. »Als er ankam, hat uns Thomas sofort einen Defensivplan vorgegeben. Jeder hilft jetzt dem anderen, wenn der seinen Gegenspieler nicht halten kann, und jeder weiß, wo er hinlaufen soll, wenn er sich dann selbst einen neuen Gegner suchen muss. Da standen wir, bis Thomas kam, oft wie einzelne Inseln auf dem Feld herum. Jetzt sind wir endlich eine Einheit geworden.«
Alba stand jahrelang für eine starke Defensive. Dass man trotzdem seit 2008 keinen Meistertitel mehr gewann, lag eher daran, dass sich der Klub mittlerweile nicht mehr die besten Offensivspieler leisten kann. Aber eben auch an der Tatsache, dass er mit Saša Obradovic und Ahmet Caki zuletzt immer auf recht unerfahrene Trainer setzte, die zwar hungrig waren, aber irgendwann doch an ihre Grenzen stießen, als sich die Gegner spätestens in den Playoffs auf sie eingestellt hatten.
Das könnte auch Päch bald passieren. Bis jetzt hat er aber gegen starke Konkurrenz eine Bilanz von 2:2 Siegen stehen und empfiehlt sich für eine Weiterbeschäftigung in der kommenden Saison. »Ich muss meinen Jungs ein großes Kompliment machen. Wir wussten, dass wir heute eine Chance bekommen würden und sie haben die ganze Zeit an sich geglaubt«, urteilte Päch, bevor Gaffney das Kompliment sofort zurückgab: »Seine Methoden und Ideen sind sehr gut. Er glaubt an uns, da ist es einfach, alles für ihn zu geben, was man hat«, sagte der US-Amerikaner. Wieder so ein Satz, der aktuell mehrdeutig ist. Fiel es denn vorher schwerer, sich für Caki aufzuopfern?
Dass die Berliner Spieler mit viel Leidenschaft und Kampfgeist spielten, war jedenfalls nicht zu übersehen. Auch Bayerns Trainer Sasa Djordjevic sah darin den Schlüssel zu eigenen Niederlage: »Uns war zwar klar, dass Alba sehr physisch und mit viel Druck agieren würde, aber wir waren doch nicht bereit dafür«, haderte der Serbe damit, dass sein Team den Berliner Abwehrriegel nicht mehr knacken konnte. Albas Nationalspieler Niels Giffey ergänzte: »Im dritten Viertel haben wir defensiv so losgelegt, dass die Bayern zu einem schlechten Tag gezwungen wurden. Da kamen sie ins Grübeln und trafen selbst ihre Freiwürfe nicht mehr. Tony Gaffney hat unglaublich gespielt: viele Blöcke, viele Offensivrebounds. Solche Sachen machen dann den Unterschied aus«, so Giffey.
Wahrlich zeigte der gelobte Gaffney, warum Geschäftsführer Marco Baldi alles daran setzen sollte, diesen Amerikaner zur Abwechslung mal mit aller Macht in Berlin zu halten. Er ist keiner, der viele Punkte sammelt. Davon gibt es mehr als genug auf dem Markt. Auch am Donnerstag war der athletische 2,06-Meter-Mann mit zwölf Punkten offensiv keineswegs überragend. Aber der 32-Jährige ist ein Einpeitscher, einer der sich auf den Boden wirft und einen verloren geglaubten Ball zurückholt. Er läuft nach gelungenen Aktionen auch nicht cool zurück wie die Kollegen, sondern jubelt ausgelassen und reißt so die Fans mit. »Wir wissen, dass wir körperlich dagegenhalten mussten. Wenn wir das nicht tun, verlieren wir gegen die Bayern immer mit 20 Punkten. Die Einstellung wollte ich vorleben«, sagte Gaffney. »Deshalb schmeiße ich mich auf den Boden. Deshalb spiele ich auch hart an der Grenze.«
München, darin waren sich trotz des Ausgleichs alle einig, bleibt Favorit. Sowohl Gaffney als auch Baldi sprachen vom besten Team der Liga, auch wenn sie die Hauptrunde hinter Ulm und Bamberg nur auf Rang drei beendet hatten. »Ulm ist schwächer geworden, Bamberg auch, nur die Bayern wurden immer stärker«, fasste Baldi die vergangenen Monate zusammen. Alba müsse weiter am absoluten Leistungslimit spielen, »um vielleicht doch noch den nächsten Schritt zu machen.«
Immerhin, seine Spieler glauben nun wieder daran, dass sie diesen Schritt gehen können. »Wir werden weiter so hart kämpfen müssen, und dazu vorn noch besser treffen, wenn wir am Samstag in München etwas holen wollen«, sagte Matchwinner Gaffney. Und wenn schon nicht für sich selbst, dann wenigstens für den neuen Trainer, der seiner Mannschaft den Glauben an die eigene Stärke zurückgegeben hat: »Ich wünschte, wir hätten Thomas in den paar Wochen noch mehr Siege schenken können. Aber ein paar Spiele haben wir ja jetzt noch.« Mindestens zwei.
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