Der göttliche, friedenswillige Pharao
Eine beeindruckende Ausstellung in Karlsruhe lässt Ramses II. und seine Zeit auferstehen
Amun-Re selbst zog mich von meiner Kindheit bis zum Zeitpunkt, als ich Herrscher wurde, groß. Er übergab mir das Land, als ich noch im Ei war«, liest man in einer Wandinschrift an einem Tempel im altägyptischen Abydos. Der Beginn einer eindrucksvollen Karriere: Pharao Ramses II. war ein grandioser Bauherr, zumeist siegreicher Feldherr und erfolgreicher Friedensstifter, kraftvoller Ehemann und Familiengründer, ein »göttlicher Herrscher«, seit über 150 Jahren mit dem Beinamen »der Große« geehrt. Erstmals in Deutschland werden er und seine Zeit in einer großartigen Ausstellung im Badischen Landesmuseum Karlsruhe mit über 260 Leihgaben aus 30 europäischen Museen wiederbelebt.
Den Besucher empfängt eine über zwei Meter hohe und über drei Tonnen schwere Statue aus Rosengranit, die den König beim Beten zeigt. Solche Bildnisse dienten den Pharaonen zur Propagierung ihre Macht und Größe. Die Skulpturen von Ramses II. sind im Vergleich zu denen seiner Vorgänger jedoch noch monumentaler und kolossaler. Davon zeugt in der Schau eine gewaltige granitene Faust von einer einst wohl 15 Meter hohen Königsstatue aus Memphis.
Ramses war 23 Jahre alt, als er 1279 v. Chr. die Herrschaft über Ägypten übernahm. Sein Name verwies auf göttliche Herkunft und Segen: Ramessu meri-Amun - »den Re geboren hat, von Amun geliebt«. Ein farbiges Kalksteinrelief zeigt den jungen Pharao mit der blauen Krone, Symbol des legitimen Thronerbes, und der Uräus-Schlange, er wird flankiert vom falkenköpfigen Gott Horus und der Göttin Isis. Ramses war das Oberhaupt einer großen Familie. Er war mit sieben Frauen, genannt die »Großen Königlichen Gemahlinnen«, darunter drei eigenen Töchter, verheiratet und hatte etliche Nebenfrauen; überliefert sind 45 Söhne und 40 Töchter. Ein in der Ausstellung gezeigter Goldring gehörte Nefertari, einer seiner Hauptgemahlinnen.
Im Osten des Nildeltas ließ Ramses eine neue Residenz erbauen, die zu einer der wichtigsten Metropolen im östlichen Mittelmeergebiet avancierte. Dort graben seit 1980 Mitarbeiter des Roemer- und Pelizaeus-Museums Hildesheim; in der Exposition werden einige Funde vorgestellt. Ein 3D-Modell rekonstruiert visuell den Hafen, Tempel und Paläste, Villen und Gärten, Werkstätten, Kasernen und Pferdeställe der Stadt.
Neben Ägypten beherrschten drei weitere Großmächte den östlichen Mittelmeerraum: Babylonier, Assyrer und Hethiter. Zwischen ihnen gab es enge wirtschaftliche, kulturelle und politische Beziehungen, aber auch Kriege um die Vormacht in der Levante. 1274 v.Chr. führte Ramses seine Truppen gegen die Hethiter und ihren Großkönig Muwattalli II. Vor Kadesch am Orontes zerschlug ein hethitischer Überraschungsangriff einen Teil der Armee des Pharaos, der selbst in eine kritische Lage geriet und verzweifelt gen Himmel flehte: »Zu dir rufe ich mein Vater Amun, … während ich hier ganz alleine bin und niemand bei mir ist!« Amun erhörte ihn: »Er gab mir seine Hand und ich jubelte. Er rief von Angesicht zu Angesicht: ›Vorwärts - Ich bin bei dir!‹« Der göttliche Pharao jagte nun die Hethiter mit Ross und Wagen in den Orontes. So will es die Legende. In Wahrheit verdankte Ramses seine Errettung einer Elitestreitwagentruppe, die im letzten Moment auf dem Schlachtfeld erschien - was großformatige Bilder in Abydos, Karnak, Luxor, Theben und Abu Simbel natürlich verschweigen. Ein Glanzpunkt der Ausstellung: Das berühmte Relief der Kadesch-Schlacht am großen Tempel von Abu Simbel wird mit multimedialer Technik und Toneffekten vitalisiert.
Ramses vermochte nicht das ferne Syrien in seinem Reich zu halten. 1259 v. Chr. schloss er mit Hattuschili III. einen Friedensvertrag, der älteste bekannte der Geschichte. Eine Kopie hängt heute im UN-Hauptgebäude in New York. Die Originalfassung, eingraviert auf zwei Silbertafeln, ist nicht erhalten. Aber an einer Tempelwand in Karnak und auf einer Stele im Ramesseum in Theben ist die hethitische Fassung verewigt. Zudem ist der Friedensvertrag im Archiv der hethitischen Hauptstadt Hattuscha hinterlegt worden. Karlsruhe zeigt vier Tafelfragmente aus dem Vorderasiatischen Museum Berlin. Die Vertragspartner hatten sich zur Herstellung eines »guten Friedens« und »guter Brüderschaft« für alle Zeiten, auch noch unter ihren Kindeskindern, versichert. Tatsächlich wurde das fixierte Verbot von Angriffshandlungen und das Gebot, einander Hilfe gegen Angriffe Dritter zu gewähren, über den Tod beider Könige hinaus eingehalten. Der Friedensvertrag wurde 1246 v.Chr. durch einen Ehevertrag gefestigt. Ramses nahm eine hethitische Prinzessin zur »Großen Königlichen Gemahlin«.
Als der Pharao 1213 v.Chr. nach 66 Regierungsjahren starb, endete eine lange friedliche und erfolgreiche Ära in Ägyptens Geschichte. Sein Grab im Tal der Könige, reich mit Wandmalereien geschmückt, wurde schon bald nach seiner Beisetzung mehrfach geplündert, trotz drakonischer Strafen für Plünderer. Endlich zur Ruhe kam Ramses erst, als seine Mumie und die seines Vaters in ein anderes Felsgrab umgebettet wurden. Die sogenannte Cachette von Deir el-Bahari wurde zu einem Sammelgrab der Pharaonen. Als es 1881 von der ägyptischen Altertümerverwaltung geöffnet wurde, zählte man in den aufeinander gestapelten Sarkophagen 40 Mumien von Pharaonen, Angehörigen der königlichen Familien, Hohepriestern und hohen Beamten. Ramses’ Mumie, 1976 in Paris von fast 100 Wissenschaftlern untersucht und konserviert, befindet sich heute im Ägyptischen Museum in Kairo. In Karlsruhe liegt eine Nachbildung auf dem Untersuchungstisch. Der Besucher kann sich über Techniken der Mumifizierung informieren.
Am Samstag überraschte übrigens der ägyptische Antikenminister Chaled al-Anani die Welt mit der Information, dass im Dorf Tuna al-Gabal, etwa 260 Kilometer südlich von Kairo, mindestens 17 Mumien entdeckt wurden, darunter völlig intakte.
Ramses. Göttlicher Herrscher am Nil. Badisches Landesmuseum Karlsruhe, bis 18. Juni, Katalog (Imhof Verlag).
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.