Schlagt die Weißen mit dem roten Keil

Eine neue Dauerausstellung im Sprengel-Museum Hannover zeigt das »Kabinett der Abstrakten« von El Lissitzky

  • Radek Krolczyk
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Hannoveraner Sprengel Museum findet sich zurzeit eine neue Rekonstruktion des sogenannten Kabinetts der Abstrakten des russischen Künstlers El Lissitzky. 1927 hatte er im Provinzialmuseum der niedersächsischen Landeshauptstadt, dem heutigen Landesmuseum, einen Ausstellungsraum für die abstrakte Avantgarde entworfen und eingerichtet. Direktor Alexander Dorner hatte ihm dazu den Auftrag erteilt.

El Lissitzky hatte seit den frühen zwanziger Jahren eine gute und enge Beziehung zu Hannover. Nicht nur der Umstand, dass er von den dortigen Sammlern und Kuratoren geschätzt wurde, schuf diese Verbindung - hier lernte er auch seine spätere Frau, die Kunsthistorikerin Sophie Küppers, kennen. El Lissitzky, der 1890 im russischen Potschinok geboren wurde, pendelte seitdem zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Mit dem Feldzug der Wehrmacht ab Juni 1941 waren ihm diese Reisen verwehrt. Noch im Dezember des selben Jahres starb er schließlich an Tuberkulose.

El Lissitzky war ein vielseitiger Künstler, der sich sowohl mit Malerei als auch Fotografie, Grafikdesign und sogar Architektur befasste. In allen Bereichen aber verfolgte er das Programm der Moderne, einen Neuanfang, den er politisch in der Gründung der Sowjetunion sah. Sein Bild »Schlagt die Weißen mit dem roten Keil« von 1920, in dem ein roter Keil in einen weißen Kreis hineinsticht - ein Sinnbild für den Sieg der Bolschewiki über die Weiße Armee - verbindet schließlich die künstlerische mit der politischen Ebene.

Das »Kabinett der Abstrakten« war eine absolute Neuheit im Ausstellungsbetrieb und erlangte schnell Weltruhm. Das hing vor allem damit zusammen, dass die Museen bis dahin keinerlei Ausstellungsräume unterhielten, die explizit der zeitgenössischen, abstrakten Kunst gewidmet waren. Das änderte sich mit El Lissitzkys Kabinett, das in der Kunstgeschichtsschreibung gleichermaßen als Raum, als auch selbst als eine Art Kunstwerk verhandelt wird. Denn in gewissem Sinne wirkt bereits der Raum selbst, mit seinen einfachen Formen, wie eine abstrakte Plastik. Die Komposition schwarzer, grauer und roter Linien und Flächen, aus denen sich der Raum in Gestalt von Rahmen, Wänden, Boden und Decke zusammensetzt, lässt dann auch an El Lissitzkys berühmte, suprematistische Gemälde aus den Anfangsjahren der Sowjetunion denken. Die Moderne zeigt sich auch im einfachen Präsentationsmobiliar und den neuen Baumaterialien, den dunkelgrauen Lamellenwänden und dem schwarzen Linoleumbodenbelag.

Eine Besonderheit des Kabinetts, die immer wieder herausgestellt wird, ist sein interaktiver Charakter. Schieberahmen machen es dem Publikum möglich, zwischen verschieden Werken zu wählen und sie nacheinander zu betrachten. Der eigentlich für Wechselausstellungen ausgelegte Raum misst nur wenige Quadratmeter und erinnert so an einen privaten Raum. Ein bequemer Stuhl von Marcel Bräuer steht darin für die Besucher bereit und verstärkt diesen Eindruck. Andererseits tragen die Schieberahmen, eine ausladende Tischvitrine und die mit Metalllamellen versehenen Wände dazu bei, das Kabinett als Laboratorium wahrzunehmen - was es ja tatsächlich auch war: eine Laboratorium der Kunst.

El Lisitzkys Kabinett bestand bis 1937 - dem Jahr , in dem die Nazis ihre Propaganda-Ausstellung »Entartete Kunst« durch die Großstädte schickten und die Museen von so definierten Werken »säuberten«. Das Kabinett wurde infolgedessen zerstört. 1968 wurde es im Sprengel Museum erstmals rekonstruiert, neue kunsthistorische Forschungsergebnisse machten eine zweite Rekonstruktion notwendig. Der Rekonstruktionsbau des Kabinetts soll dauerhaft im Museum bleiben und als Wechselausstellungsraum für Werke der abstrakten Moderne dienen. Aktuell sind dort unter anderem Bilder von El Lissitzky selbst, von Piet Mondrian und Fernand Leger zu sehen.

»El Lissitzky: ›Das Kabinett der Abstrakten‹. Die neue Rekonstruktion«, neue Dauerausstellung im Sprengel Museum, Kurt-Schwitters-Platz, Hannover

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