Ein Riesenauge in Chiles Wüste

Hoffnung auf ganz neue Einblicke in Galaxien und Erkenntnisse über Leben fern der Erde

  • Laura del Río und Juan Garff, Santiago de Chile
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein abgelegener Berggipfel in Chiles Atacamawüste wird zum Zentrum eines weltweit einmaligen Projekts. Hier wird nach jahrelangen Vorbereitungen das größte optische Teleskop der Welt gebaut. Mit einem Hauptspiegel von 39 Metern Durchmesser soll es als Riesenauge den Blick gen Himmel richten, um erdähnliche Planeten, Sterne und Galaxien zu beobachten. Mit dem Extremely Large Telescope (ELT) soll es auch neue Erkenntnisse über Dunkle Materie geben.

Der Armazones-Berg (3048 Meter) befindet sich 130 Kilometer südlich von Antofagasta im Norden Chiles. Vor zwei Jahren wurde die Spitze gesprengt, um eine Plattform für das Teleskop zu errichten. Am 26. Mai will Chiles Staatschefin Michelle Bachelet den Grundstein legen. Ab 2024 soll das Teleskop hier sein erstes Sternenlicht einfangen.

Das Projekt der Europäischen Südsternwarte (ESO) hat in der Wüste einen idealen Standort gefunden. Dank der sogenannten Humboldt-Strömung ist die Region fast ständig wolkenfrei. Die Wolken bleiben entweder über dem Pazifischen Ozean oder auf der argentinischen Seite der Anden. In rund 90 Prozent der Nächte ist der Sternenhimmel in der äußerst sauberen und trockenen Wüstenatmosphäre zur Beobachtung frei.

»Der Sprung von den gegenwärtigen Teleskopen zum ELT ist etwa so groß wie der Sprung von Galileos Auge zu seinem Teleskop«, erklärt Tim de Zeeuw, Generaldirektor der ESO. Der Hauptspiegel des ELT wird fünf Mal größer sein als bei den heute stärksten Teleskopen. Zudem wird er 13 Mal mehr Licht einfangen können, was viel schärfere Bilder ermöglicht.

Eines der Hauptziele des Projektes ist die Erkundung von Exoplaneten außerhalb unseres Sonnensystems, in denen es Leben geben könnte. Erst kürzlich machten Entdeckungen bei dem Roten Zwergstern Trappist-1 und bei dem Stern Proxima Centauri Schlagzeilen. Es findet zurzeit ein Astronomenrennen statt, um den ersten bewohnbaren Exoplaneten zu finden.

De Zeeuw ist der Ansicht, dass dieses Ziel im nächsten Jahrzehnt erreicht werden kann. »Es ist schon kurios, dass dieses Teleskop in einem der unbelebtesten Ecken der Welt, der Atacama-Wüste, uns dabei helfen kann, Lebenszeichen woanders zu finden«, sagt der ESO-Generaldirektor. Die ESO, die von 15 europäischen Staaten und Brasilien gegründet wurde und den Hauptsitz in Garching bei München hat, verfügt bereits über drei weitere Beobachtungsstandorte in der Atacama-Wüste. Unter anderem betreibt sie hier das Very Large Telescope (VLT), das leistungsfähigste Observatorium für Beobachtungen im Bereich des sichtbaren Lichts.

Das ELT wird mit fünf riesigen Spiegeln ausgestattet sein. Der größte, mit 39 Metern Durchmesser, wird aus rund 800 hexagonalen Teilstücken mit 1,4 Metern Durchmesser bestehen. Sie müssen perfekt zusammenpassen. Der niederländische Astronom De Zeeuw hat mit seinen Kollegen in jahrelanger Überzeugungsarbeit bei Politikern die 1,1 Milliarden Euro eingeworben, die zur Finanzierung notwendig sind.

Das ELT-Projekt entstand Ende der 1990er Jahre, als man sich in der Europäischen Südsternwarte fragte, ob es möglich sei, ein 100-Meter-Teleskop zu bauen. Das würde aber drei bis vier Milliarden Euro kosten. Nun begnügt man sich mit 39 Metern Durchmesser.

Das ELT ist aber nicht das einzige Projekt, um den Himmel besser zu erkunden. In den USA werden zwei Initiativen vorangetrieben, um öffentliche Gelder zum Bau von einem Riesenteleskop zu bekommen. Eine ist die des 30-Meter-Teleskops vom California Institute of Technology (Caltech), für das Hawaii als Standort ausgewählt worden ist. Das zweite Projekt ist das des Magellan-Riesenteleskops (GMT) der Carnegie Institution for Science, das mit seinem Spiegel von 24,5 Metern Durchmesser auch in Nordchile eingerichtet werden soll.

De Zeeuw glaubt, dass es für die Forschung durchaus nützlich sein kann, mehrere Riesen-Teleskope gleichzeitig zu haben. »Es handelt sich um eine freundliche Konkurrenz. Man arbeitet schneller und besser, wenn man mit jemandem konkurrieren muss. Das ist vorteilhaft für alle«, betont er. Zwar wird es noch sieben Jahre bis zu den ersten Bildern des ELT dauern, aber nach Jahren des Bangens beginnt nun die entscheidende Etappe des Rekordprojekts. dpa/nd

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