Ambivalente Friedensforschung

Gutachter warnen vor Wettrüsten und fordern humanitäre Schutzzonen in Syrien - Arbeit führender deutscher Institute wirft aber auch Fragen auf

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.

So makaber es klingt: In einer Welt, die erschüttert wird von Kriegen und bewaffneten Konflikten, gibt es für Friedensforscher eine Menge Arbeit. Ist ihr Untersuchungsgegenstand, der Frieden, doch in vielen Regionen dieser Welt bedroht. Dementsprechend facettenreich fiel das »Friedensgutachten 2017« aus, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Unter Federführung des Leibniz-Instituts Hessische Friedens- und Konfliktforschung (HSFK) entstand ein knapp 300-seitiger Bericht: Unter anderem widmet man sich der Weltordnungspolitik der USA nach der Wahl Trumps, der EU als Friedensmacht und dem Krieg in Syrien.

Beim Thema Syrien lehnt man sich weit aus dem Fenster. So könne die wirksame Einlösung von Schutzversprechen »militärischen Zwang erfordern«, betonte Bruno Schoch vom HSFK bei der Vorstellung des Gutachtens in Berlin. Da im UN-Sicherheitsrat aber die Vetomächte China und Russland dem Assad-Regime den Rücken stärken, stünden insbesondere die Europäer vor einem Dilemma: Militärische Gewalt ohne Mandat einzusetzen, verstoße gegen das Völkerrecht. »Schuldig kann sich aber auch machen, wer davor zurückschreckt, weil Nichteinmischung dringend gebotene Hilfe verweigert«, so Schoch. Auf nd-Nachfrage, warum das Gutachten nicht auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr beleuchte, machte Schoch seine Position noch einmal deutlich: Die NATO-Intervention in Kosovo sei richtig gewesen, »aber umstritten, weil es kein Mandat gab«. Friedensforscher sind eben keine Friedensaktivisten.

»Wir mischen uns ein in den politischen Meinungsstreit«, heißt es auch im Vorwort des Gutachtens. Dabei brauchen sich Akteure wie das HSFK nicht aktiv einzumischen, sie werden eingeladen und um ihre Meinung gebeten. So war der langjährige Chef der hessischen Friedensforscher, Harald Müller, auch als enger Berater des Außenministeriums tätig. Gegenüber der »FAZ« resümierte Müller: »Ich hatte den Nagel des kleinen Fingers dicht am Mantel der Weltgeschichte.«

Sein Institut wird von Bund und Land finanziert. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass man sich zum Werkzeug der Geldgeber macht. Der Friedensaktivist Reiner Braun erkennt aber »Ambivalenzen«. So spielten Institute wie das HSFK durchaus eine positive Rolle auf vielen Feldern der Friedensforschung und hätten kompetente Forscher in ihren Reihen, räumt Braun ein, der als Geschäftsführer der Internationalen Vereinigung von Juristen gegen Nuklearwaffen (IALANA) ein Auge auf den wissenschaftlichen Output der Friedensforscher hat.

Doch die Forscher agieren nicht im luftleeren Raum und haben, wie das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Uni Hamburg, das auch Autoren für das Gutachten stellte, beste Verbindungen zur Bundeswehr.

Auffällig sei, gibt Braun zu bedenken, dass man bei der Vorstellung des Berichts keinen Schwerpunkt auf den anstehenden Nuclear-Ban-Treaty gelegt habe. Dieses UN-Abkommen, das das Verbot aller Kernwaffen vorsieht, wird derzeit von rund 130 Staaten unterstützt. Die Verhandlungen sollen bis zum 7. Juli laufen. Deutschland jedoch gehört nicht zu den Unterstützern dieses Vorhabens. Man könne nicht sehen, »wie dieser Vertrag uns näher an das Ziel der nuklearen Abrüstung bringen kann«, heißt es bei der deutschen UN-Vertretung in Wien. Die deutschen Diplomaten fürchten, dass so eine Vereinbarung kontraproduktiv sei und das Gegenteil von dem bewirke, was es beabsichtige. Zudem sei das geplante Abkommen nicht kompatibel mit Deutschlands NATO-Mitgliedschaft heißt es auf diplomatischen Kreisen. Sprich: Deutschland nimmt Rücksicht auf die befreundeten Atommächte wie Frankreich, Großbritannien und die USA.

Doch die Forscher üben durchaus auch Kritik an der Bundesregierung, wenn auch auf anderen Politikfeldern. So dürfe die Bundesregierung das längst überfällige 0,7-Prozent-Ziel für Entwicklungshilfe nicht auf die lange Bank schieben und mit den Ausgaben für Flüchtlinge hierzulande schönrechnen, mahnte Schoch am Dienstag. Zudem fordern die Friedensforscher auch neue Initiativen der Rüstungskontrolle. »Das von uns seit Langem geforderte Umsteuern bei Rüstungsexporten schlägt sich bisher nicht in den Exportstatistiken nieder«, bemängeln die Forscher. So sei Deutschland »weiterhin der fünftgrößte Rüstungsexporteur der Welt«. Der Bundestag müsse auch die Aufträge der Bundeswehr an Rheinmetall stoppen, »mit denen der Konzern eine Panzerfabrik in der Türkei mitfinanzieren will«. Generell sollten, so die Forscher, »sensible Rüstungsexporte« dem Bundestag vorgelegt werden.

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