Überraschungskontrollen müssen angekündigt werden
Die Internationale Tennisföderation verwehrte der NADA Dopingtests in Stuttgart und berief sich auf einen fragwürdigen Passus im WADA-Code
Bilanzpressekonferenzen sind selten spannend. Ein Wust von Zahlen wird präsentiert, und die Protagonisten klopfen sich selbst auf die Schulter, wie gut ihre Arbeit im vergangenen Jahr doch war. Bei der Nationalen Antidoping-Agentur NADA war das an diesem Donnerstag in Berlin nicht anders, wäre da nicht eine kleine Bemerkung der Vorstandsvorsitzenden Andrea Gotzmann gefallen, die im Laufe der Veranstaltung immer wichtiger wurde. «Mit den meisten Verbänden arbeiten wir gut zusammen, mit manchen aber auch nicht. Ich möchte die Internationale Tennisföderation nennen, die uns bei einem Turnier in Deutschland den Zugang verwehrt hat», sagte Gotzmann.
Nicht nur die Journalisten in Berlin, auch die Kontrolleure damals im April in Stuttgart staunten nicht schlecht. Die ITF berief sich dabei auf einen Passus im Code der Welt-Antidoping-Agentur WADA, wonach die NADA ihr Kommen 35 Tage im Voraus hätte ankündigen müssen. «Das hat mit unserem Verständnis von unangekündigten Zielkontrollen nichts mehr zu tun», sagte Gotzmann, die sich wunderte, dass es diesen Passus überhaupt im Regelwerk gibt.
Immerhin: Einzelsportler können sich nicht darauf berufen, nur Verbände und Veranstalter von Sportveranstaltungen. Das öffnet aber jenen Organisatoren und Offiziellen die Möglichkeit, ihre Veranstaltungen und Stars vor negativer Publicity zu schützen. Der Sinn des Paragrafen ist offiziell, Doppeltests zu vermeiden: Internationale Verbände und nationale Antidoping-Agenturen sollen ihre jeweiligen Ressourcen nicht für die gleiche Arbeit einsetzen. «Ein hehres Ziel», sagte NADA-Vorstand Lars Mortsiefer. «Trotzdem muss gewährleistet werden, dass nationalen Kontrolleuren bei konkreten Verdachtsfällen der Zugang gewährt wird.
Der konkrete Fall in Stuttgart dürfte den Namen Maria Scharapowa getragen haben. Der russische Tennisstar war bei dem Turnier Ende April ganz frisch von ihrer Dopingsperre zurückgekehrt. Dass der Veranstalter, der vom gleichen Autokonzern wie Scharapowa gesponsert wird, ihr überhaupt eine Wildcard erteilt hatte, war bereits von vielen Spielerinnen kritisiert worden.
Die Gefahr der doppelten Tests bestand offenbar auch nicht, da der Weltverband selbst laut Informationen der NADA in Stuttgart gar nicht kontrollierte. Der Eindruck, dass hier ein Star geschützt werden sollte, verstärkt sich somit umso mehr. »Wir haben versucht, eine Erklärung der ITF zu bekommen, ihnen sogar einen Informationsaustausch angeboten. Bisher hat aber niemand geantwortet«, berichtete Mortsiefer.
Auch die WADA wurde informiert. Erstens, weil es kaum dem WADA-Code entsprechen dürfte, dass bei einem solch großen Profiturnier gar keine Dopingkontrollen gibt. Und zweitens, da sich die NADA durch den 35-Tage-Passus in ihrer Arbeit behindert sieht. Sie plädiert daher für eine Änderung, wenn der Code das nächste Mal überarbeitet wird. NADA-Vorstand Mortsiefer hat unterdessen mit Juristen gesprochen, die an der Entwicklung des WADA-Codes beteiligt waren. Auch die hätten sich verwundert gezeigt, dass es diese Regelung gebe. Offenbar wurde sie erst kurz vor der Verabschiedung Ende 2013 als Anhang eingefügt. Von wem, ist unbekannt.
Bislang beruft sich augenscheinlich nur die ITF darauf. »Französische Kollegen haben mir berichtet, dass auch sie bei ihren Tennisturnieren nicht reingelassen wurden«, so Mortsiefer. Erschreckende Nachrichten, während in Paris gerade die French Open ausgetragen werden.
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