Kipping: »Deutschland ist Klimaschutz-Heuchler«
Weltweit heftige Kritik an Entscheidung von Präsident Trump / US-Firmen legen mit Offenem Brief Protest ein / Obama: Regierung verleugnet die Zukunft
Washington. Hunderte US-Unternehmen haben in einem offenen Brief US-Präsident Donald Trump für seine Entscheidung kritisiert, sich aus dem Pariser Klimaabkommen zurückzuziehen. Technologiefirmen wie Intel, Hewlett-Packard und Tesla sowie große Lebensmittelkonzerne und Kleidungsunternehmen unterzeichneten den Brief. Die Firmen unterstrichen, sie fühlten sich dem Klimaschutz weiterhin »zutiefst verpflichtet«. Ihr Ziel sei eine energieeffiziente und wenig Treibhausgase ausstoßende US-Wirtschaft.
»Kosteneffiziente und innovative Lösungen können uns dabei helfen, diese Ziele zu erreichen«, heißt es in dem Brief. »Sich vom Ziel einer emissionsarmen Wirtschaft zu verabschieden, setzt den amerikanischen Wohlstand aufs Spiel.«
Zuvor hatten der Chef des Unterhaltungskonzerns Walt Disney, Robert Iger, und Tesla-Chef Elon Musk ihre Tätigkeit als Berater Trumps beendet. »Aus Prinzip bin ich nach dem #ParisAgreement-Rückzug aus dem Beraterkreis des Präsidenten ausgeschieden«, schrieb Iger auf Twitter. Musk ließ mitteilen, er habe »keine andere Wahl«, als seine Beratertätigkeit zu beenden.
Die demokratischen Gouverneure von Kalifornien, New York und Washington schlossen sich rasch zu einem Bündnis zusammen und versprachen, die Richtlinien des Pariser Abkommens zu respektieren. Viele Bürgermeister folgten ihrem Beispiel.
Aus Solidarität mit dem Pariser Abkommen wurden mehrere Gebäude in New York grün angestrahlt. Auch die Fassade der US-Botschaft in Berlin war am frühen Freitagmorgen angestrahlt: Greenpeace-Aktivisten projizierten nach eigenen Angaben in typischem Trump-Stil die Botschaft »Total loser, so sad!« Dagegen begrüßte der republikanische Sprecher im Repräsentantenhaus, Paul Ryan, Trumps Entscheidung.
Kipping: »Deutschland ist Weltmeister in Klimaschutz-Heuchelei«
Auch aus der Politik gab es scharfe Worte. Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sagte am Donnerstagabend im ZDF-Talk Maybrit Illner, der Ausstieg aus dem Klimaschutzabkommen sei eine »Kriegserklärung an den Planeten«. Trumps Argumentation, der Ausstieg führe in den USA zu mehr Jobs, bezweifelte sie. Im Gegenteil sei die Investition in den Klimaschutz eine Investition in die Zukunft, in zukunftsfähige Technologien. Die Entrüstung der deutschen Bundesregierung kritisierte die LINKE-Politikerin jedoch: »Wir brauchen nicht so zu tun, als sei Deutschland ist Weltmeister im Klimaschutz. Deutschland ist Weltmeister in Klimaschutzheuchelei.« Auch hierzulande würden die Klimaschutzziele bei weitem nicht erfüllt.
Der frühere US-Präsident Barack Obama kritisierte die Entscheidung. »Diese Regierung schließt sich einer kleinen Hand voll von Nationen an, die die Zukunft verleugnet«, hieß es in Stellungnahme. Ex-Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders erklärte: »Präsident Trumps Entscheidung, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen, ist ein Rückzug von Amerikas Führungsrolle und eine internationale Schande.«
Auch aus China gab es deutliche Worte zu Trumps Entscheidung. Die Entscheidung sei ein »globaler Rückschlag«, hieß es am Freitag in einem Kommentar der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Trump habe »zum Bedauern fast aller« entschieden, sich und die USA von einer »historischen globalen Vereinbarung abzuschneiden, bei deren Entstehung sein Land einmal eine Schlüsselrolle spielte«.
Nur Syrien und Nicaragua hätten sich dem Klimaabkommen verweigert. »Kündigen die USA, werden sie zu einem Teil dieser fragwürdigen Minderheit«, schlussfolgerte Xinhua. »Es scheint, dass die Trump-Regierung sich nicht darum kümmert, die Reputation der USA in Gefahr zu bringen.« Nach Trumps Abkehr sei es nun umso wichtiger, dass die anderen »Hauptakteure« wie die Europäische Union, China und Indien gemeinsam große Anstrengungen unternehmen, um die Ziele des Abkommens dennoch umzusetzen.
In einer Fernsehansprache lud Frankreichs Präsident Emmanuel Macron frustrierte Klimawissenschaftler und Unternehmer aus den USA ein, nach Frankreich zu kommen, dort zu arbeiten und »unseren Planeten wieder groß zu machen«. Die EU-Kommission kündigte an, eine Führungsrolle beim weltweiten Klimaschutz ausüben zu wollen: »Die Welt kann auf Europa zählen.« UN-Generalsekretär Antonio Guterres erklärte, es sei »wichtig, dass die USA eine weltweite Führungsmacht in Umweltfragen bleiben«.
Die USA sind der weltweit zweitgrößte Verursacher der Treibhausgase nach China. Obama hatte das Paris-Abkommen im September 2016 in einem hochsymbolischen Timing zeitgleich mit Peking ratifiziert. Beide Staaten beanspruchten damit eine Führungsrolle im Kampf gegen die Erderwärmung. Agenturen/nd
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